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18.10.2011 Zivilrecht

OGH: Namensrecht § 43 ABGB und mögliche Zuordnungsverwirrung iZm einer Domain

Bestreitet der Domaininhaber eine Zuordnungsverwirrung, weil die angesprochenen Kreise keine Verbindung zwischen der Domain und dem klagenden Namensinhaber herstellten, lässt sich dies im Regelfall nur aufgrund einer methodisch einwandfreien demoskopischen Untersuchung beantworten


Schlagworte: Domainrecht, Namensrecht, Zuordnungsverwirrung, demoskopische Untersuchung
Gesetze:

§ 43 ABGB

GZ 17 Ob 15/11x [1], 19.09.2011

 

Die Klägerin ist die Salzburger Marktgemeinde Wagrain. Der Beklagte ist ein in dieser Gemeinde ansässiger Unternehmer. Er ist seit 1997 Inhaber der Domain wagrain.at; später erwarb er auch die Domain wagrain.com

 

OGH: Der Senat hat in der Entscheidung 17 Ob 16/10t (schladming.com) ausgesprochen, dass die Frage, ob eine aus einem Namen und der Top-Level-Domain „.com“ gebildete Domain von den angesprochenen Kreisen dem Namensträger zugeordnet wird, aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens beantwortet werden kann und daher grundsätzlich zur rechtlichen Beurteilung gehört. Den Parteien steht es jedoch frei, davon abweichende Erfahrungssätze zu behaupten und unter Beweis zu stellen. In diesem Fall sind die Tatsacheninstanzen dazu verpflichtet, Feststellungen zu diesem Vorbringen zu treffen. Als taugliches Beweismittel wird dafür aber in der Regel nur ein demoskopisches Gutachten in Betracht kommen. Denn es geht nicht darum, ob bestimmte Nutzer die Domain dem Namensträger zuordnen, sondern ob beim durchschnittlichen Nutzer eine Zuordnungsverwirrung eintreten kann. Dafür genügt, dass bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise diese Zuordnungsverwirrung tatsächlich eintritt. Ob das zutrifft, lässt sich im Regelfall nur aufgrund einer methodisch einwandfreien demoskopischen Untersuchung beantworten. Bleiben Zweifel, hat es bei der Beurteilung aufgrund des vom Gericht herangezogenen Erfahrungssatzes zu bleiben.

 

Es ist kein Grund erkennbar, die Domain wagrain.at anders zu behandeln als die Domain wagrain.com. In beiden Fällen hat der Beklagte in erster Instanz behauptet, dass keine Zuordnungsverwirrung eintrete, weil die angesprochenen Kreise keine Verbindung zwischen den Domains und der klagenden Gemeinde herstellten. Bei Namensdomains mit der Top-Level-Domain  „.at“ hat die Rsp zwar bisher das Gegenteil angenommen. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um die Anwendung eines Erfahrungssatzes des täglichen Lebens und damit um eine rechtliche Beurteilung. Dem Beklagten steht der Beweis eines davon abweichenden Erfahrungssatzes frei. Dass ein solcher Beweis aus Sicht des Gerichts wenig Aussicht auf Erfolg haben mag, ist kein Grund, seine Aufnahme zu verweigern.

 

Im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte zu beiden Domains behauptet, dass keine Zuordnungsverwirrung eintrete. Zum Beweis hat er die Einholung eines demoskopischen Gutachtens beantragt. Trotz dieses grundsätzlich tauglichen Beweisangebots hat das Erstgericht dazu keine Feststellungen getroffen. Damit liegt auch in Bezug auf die Domain wagrain.at ein sekundärer Feststellungsmangel vor. Gründe, die zur sofortigen Abweisung des Klagebegehrens führen könnten, macht die Revision nicht geltend. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher auch in diesem Punkt aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht das beantragte demoskopische Gutachten auch zur Domain wagrain.at einzuholen und auch insofern Feststellungen zur Gefahr einer Zuordnungsverwirrung zu treffen haben.