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18.10.2011 Strafrecht

OGH: Einstellung des Verfahrens bei Tod des Privatanklägers iSd § 71 StPO (hier: iZm Antrag auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung gem § 14 MedienG)?

Hindert der Tod den Privatankläger, gewisse Rechtshandlungen vorzunehmen, deren Unterlassung dieselbe Wirkung hat wie die ausdrückliche Zurücknahme der Anklage, ist das Verfahren einzustellen


Schlagworte: Privatankläger, Rechtsmittelverfahren, Einstellung des Verfahrens, Medienrecht, Antrag auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung
Gesetze:

§ 71 StPO, § 14 MedienG

GZ 15 Os 18/11b [1], 17.08.2011

 

OGH: Das Recht zur Privatanklage ist höchstpersönlicher Natur; es ist weder rechtsgeschäftlich übertragbar noch vererblich. Nach einhelliger Auffassung erlischt es mit dem Tod des (potentiellen) Privatanklägers. Für den Fall des Todes des Privatanklägers nach Erhebung der Privatanklage, also während laufenden Verfahrens, enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung.

 

Grundsätzlich wird die Verfolgbarkeit strafrechtlichen Geschehens nur durch solche Tatsachen aufgehoben, denen das Gesetz diese Wirkung zuerkennt. In Ansehung von Privatanklagedelikten nennt das Gesetz den Rücktritt und gewisse Versäumnisse des Privatanklägers, denen es kraft einer Rechtsvermutung die gleiche Wirkung zuschreibt (§ 71 Abs 6 StPO).

 

Hindert der Tod den Privatankläger, gewisse Rechtshandlungen vorzunehmen, deren Unterlassung dieselbe Wirkung hat wie die ausdrückliche Zurücknahme der Anklage, ist das Verfahren einzustellen. Stirbt der Privatankläger aber zu einem Zeitpunkt, zu dem es solcher Rechtshandlungen nicht mehr bedarf (und zu dem er die Anklage nicht einmal mehr zurückziehen könnte), fehlt ein gesetzlich vorgesehener Grund zur Einstellung des Verfahrens.

 

Daraus folgt, dass der Tod des Privatanklägers während des Rechtsmittelverfahrens eine Entscheidung über die - von wem auch immer - ergriffene Berufung nicht hindert. Kommt es dabei zu einer Aufhebung des Urteils und zu einer neuen Hauptverhandlung in erster Instanz, so wird das Ausbleiben des Privatanklägers bei dieser Hauptverhandlung die Einstellung des Verfahrens zur Folge haben (§ 71 Abs 6 StPO).

 

Gem § 14 Abs 3 MedienG gelten für das Verfahren über einen Antrag nach § 14 Abs 1 MedienG, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen der StPO für das Verfahren aufgrund einer Privatanklage dem Sinn nach. Da die §§ 14 ff MedienG keine Sonderbestimmung für den Fall des Todes des Antragstellers (Gegendarstellungswerbers) enthalten, gilt das bisher zum Tod des Privatanklägers Gesagte.

 

Überlegungen dazu, ob die Veröffentlichung einer Gegendarstellung nach dem Tod des Privatanklägers noch sinnvoll ist, weil ihr Zweck darin besteht, dem Betroffenen die Möglichkeit zu bieten, medialen Tatsachenmitteilungen mit gleicher Publizitätswirkung entgegenzutreten, tun im vorliegenden Fall auch insofern nichts zur Sache, als die Antragsgegnerin die Gegendarstellung zufolge § 13 MedienG bereits unmittelbar nach dem Urteil erster Instanz zu veröffentlichen hatte. Durch die Einstellung des Verfahrens vor Entscheidung über die von ihr gegen das sie verpflichtende Urteil erhobene Berufung würde der Antragsgegnerin aber die Möglichkeit zur Rehabilitierung mit den sich daran knüpfenden Kostenfolgen genommen.

 

Spekulative Erwägungen betreffend eine erst nach Entscheidung über die Berufung in Rede stehende, fallbezogen nur mehr auf Antrag der Antragsgegnerin mögliche Fortsetzung des Verfahrens gem § 16 MedienG sind vor Entscheidung über die Berufung der Antragsgegnerin ebenso wenig angebracht.

 

Demnach waren in Bezug auf die von der Antragsgegnerin erhobene Berufung die Bestimmungen des § 489 StPO, der ua auf die §§ 470, 474 StPO verweist, zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht hätte also über die Berufung der Antragsgegnerin entweder gem § 470 StPO in nichtöffentlicher Sitzung oder gem § 474 StPO in der mündlichen Berufungsverhandlung in der in diesen Bestimmungen aufgezeigten Weise entscheiden müssen.

 

Eine mit dem Auftrag an das Erstgericht zur Beendigung des Verfahrens „analog § 197 StPO“ (Abbrechung des Ermittlungsverfahrens gegen Abwesende und gegen unbekannte Täter; siehe aber § 427 Abs 2 letzter Satz StPO) verbundene Abbrechung des Rechtsmittelverfahrens durch das OLG ist hingegen im - insofern keineswegs lückenhaften - Gesetz nicht vorgesehen.

 

Das OLG Wien hätte daher aus dem erst im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Tod des Antragstellers Hans D - den im Verfahren über die Berufung der Antragsgegnerin keine Mitwirkungspflicht trifft - keine rechtlichen Konsequenzen für das Berufungsverfahren ableiten dürfen, sondern die im § 489 Abs 1 StPO vorgesehene Entscheidung über das Rechtsmittel treffen müssen.

 

Insofern entbehrt auch der auf einem Auftrag des OLG beruhende Beschluss des Erstgerichts vom 1. Oktober 2010, mit welchem das Verfahren zufolge Todes des Antragstellers eingestellt wurde, einer gesetzlichen Grundlage.