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25.10.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Verletzung des Zurverfügungstellungsrechts gem § 18a UrhG durch Betreiber einer Internet-Suchmaschine?

Ein Linksetzer, der auf rechtmäßig ins Internet gestellte Inhalte verweist, ohne dabei technische Schutzmaßnahmen des Berechtigten vor unkontrolliertem öffentlichem Zugang zu umgehen, greift nicht in das dem Urheber vorbehaltene Zurverfügungstellungsrecht des § 18a UrhG ein; wer ein geschütztes Werk selbst weder öffentlich für Dritte bereithält (etwa durch unbefugtes Eingliedern fremder Werke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf), noch dieses Werk den Nutzern als Vervielfältigungsstück auf Abruf übermittelt, sondern allein einen Link zur Verfügung stellt, mit dessen Hilfe das Originalwerk an seinem Ursprungsort betrachtet werden kann, sorgt nur für den erleichterten Abruf einer in ihrer Ursprungsseite eingefügten Datei, ohne diese selbst iSd § 18a UrhG zur Verfügung zu stellen


Schlagworte: Urheberrecht, Zurverfügungstellungsrecht, Suchmaschinenbetreiber, Bildersuche, thumbnails, Vervielfältigungsrecht, Bearbeitungen
Gesetze:

§ 18a UrhG, § 15 UrhG, § 5 UrhG

GZ 4 Ob 105/11m [1], 20.09.2011

 

OGH: Der OGH hat zur urheberrechtlichen Haftung eines Linksetzers nach der UrhGNov 2003 - insbesondere unter dem Aspekt des damals neu geschaffenen § 18a UrhG - bisher nicht Stellung genommen.

 

Zum vergleichbaren § 19a dUrhG wird im deutschen Schrifttum überwiegend vertreten, dass durch das Setzen eines Links allein ein fremdes Werk noch nicht zugänglich gemacht wird.

 

Dieser Auffassung hat sich der BGH in seiner Entscheidung vom 17. 7. 2003, I ZR 259/00 - paperboy  mit folgender Begründung angeschlossen: Ein Link greift nicht in das Vervielfältigungsrecht ein, weil er lediglich eine elektronische Verknüpfung der den Link enthaltenden Datei mit einer anderen in das Internet eingestellten Datei ist. Erst wenn der Nutzer den Link anklickt, um diese Datei abzurufen, kann es zu einer urheberrechtlich relevanten Vervielfältigung - im Bereich des Nutzers - kommen. Ein Berechtigter, der ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich macht, ermöglicht dadurch bereits selbst die Nutzungen, die ein Abrufender vornehmen kann. Es ist seine Entscheidung, ob er das Werk trotz der Möglichkeit, dass nach Abruf auch rechtswidrige Nutzungen vorgenommen werden, weiter zum Abruf bereithält. Es wird deshalb grundsätzlich kein urheberrechtlicher Störungszustand geschaffen, wenn der Zugang zu dem Werk durch das Setzen von Hyperlinks (auch in der Form von Deep-Links) erleichtert wird. Die Gefahr rechtswidriger Nutzungen eines vom Berechtigten selbst im Internet öffentlich bereitgehaltenen Werks wird durch Hyperlinks Dritter nicht qualitativ verändert, sondern nur insofern erhöht, als dadurch einer größeren Zahl von Nutzern der Zugang zum Werk eröffnet wird. Auch ohne Hyperlink kann ein Nutzer unmittelbar auf eine im Internet öffentlich zugängliche Datei zugreifen, wenn ihm deren Internetadresse genannt wird. Ein Hyperlink verbindet mit einem solchen Hinweis auf die Datei, zu der die Verknüpfung gesetzt wird, lediglich eine technische Erleichterung für ihren Abruf. Er ersetzt die sonst vorzunehmende Eingabe der Internetadresse im Adressfeld des Webbrowsers und das Betätigen der Eingabetaste. Wer einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Website mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setzt, begeht damit keine urheberrechtliche Nutzungshandlung, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Er hält weder das geschützte Werk selbst öffentlich zum Abruf bereit, noch übermittelt er dieses selbst auf Abruf an Dritte. Nicht er, sondern derjenige, der das Werk in das Internet gestellt hat, entscheidet darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Wird die Website mit dem geschützten Werk nach dem Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht dieser ins Leere. Einem Nutzer, der die Internetadresse als genaue Bezeichnung des Fundorts der Website im Internet noch nicht kennt, wird der Zugang zu dem Werk durch den Hyperlink zwar erst ermöglicht und damit das Werk im Wortsinn zugänglich gemacht; dies ist aber auch bei einem Hinweis auf ein Druckwerk oder eine Website in der Fußnote einer Veröffentlichung nicht anders. Die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Info-RL) hat die urheberrechtliche Beurteilung von Hyperlinks nicht verändert. Das Setzen eines Hyperlinks ist keine Wiedergabe iSd Art 3 Abs 1 Info-RL; es bewirkt weder das (weitere) Bereithalten des Werks noch eine Abrufübertragung des Werks an den Nutzer.

 

Diese Rsp hat der BGH mit seiner Entscheidung I ZR 39/08 mit der Einschränkung fortgeschrieben, dass das Setzen eines Hyperlinks, der einen unmittelbaren Zugriff auf ein geschütztes Werk ermöglicht, dann in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werks eingreift, wenn dabei technische Schutzmaßnahmen, die den öffentlichen Zugang zum Werk nur über die Startseite des Berechtigten eröffnen, umgangen werden.

 

Auch der Senat hält es für überzeugender, dass ein Linksetzer, der auf rechtmäßig ins Internet gestellte Inhalte verweist, ohne dabei technische Schutzmaßnahmen des Berechtigten vor unkontrolliertem öffentlichem Zugang zu umgehen, nicht in das dem Urheber vorbehaltene Zurverfügungstellungsrecht des § 18a UrhG eingreift.

 

Zur Zulässigkeit der Verwendung von thumbnails bei der Bildersuche:

 

Der Urheber hat das ausschließliche Recht, das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist (§ 18a UrhG).

 

Zurverfügungstellen iS dieser Bestimmung setzt eine entsprechende Verfügungsmacht und Kontrolle des Zugangs über das Werk voraus. Nur wer selbst über das Originalwerk oder ein Vervielfältigungsstück verfügt, kann dieses anderen Personen in einer Weise zur Verfügung stellen, dass er deren Zugang dazu kontrolliert. Wer hingegen ein geschütztes Werk selbst weder öffentlich für Dritte bereithält (etwa durch unbefugtes Eingliedern fremder Werke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf), noch dieses Werk den Nutzern als Vervielfältigungsstück auf Abruf übermittelt, sondern allein einen Link zur Verfügung stellt, mit dessen Hilfe das Originalwerk an seinem Ursprungsort betrachtet werden kann, sorgt nur für den erleichterten Abruf einer in ihrer Ursprungsseite eingefügten Datei, ohne diese selbst iSd § 18a UrhG zur Verfügung zu stellen. Unter diesen Umständen kontrolliert er auch den Zugang nicht, kann doch die Datei ohne sein Zutun aus dem Internet entfernt werden, womit der Link ins Leere führt.

 

Dieser Vorgang entspricht - umgedeutet auf die „analoge Welt“ - einer nicht werknutzungsberechtigten Person, die einem Dritten nicht bloß den Ort nennt, an dem er ein körperliches Werkstück finden kann, das vom Berechtigten dort öffentlich zugänglich gemacht wird, sondern den Dritten sogar dorthin bringt. Unter diesen Umständen würde man keinesfalls annehmen, dass damit in das Verbreitungsrecht des Urhebers eingegriffen wird. Die Beurteilung in der „digitalen Welt“ kann keine andere sein.

 

Urheberrechtliche Beurteilung der Verlinkung auf Originalbilder durch die Suchmaschine der Beklagten:

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt speichert die Beklagte für weitere Zugriffe von Nutzern ihres Suchdienstes in einer Datenbank vorübergehend zwar die Internetadressen der aufgefundenen Bilddateien, nicht aber die Bilddateien selbst.

 

Erstellt die Beklagte demnach keine Vervielfältigungsstücke von auf Speichermedien Dritter körperlich festgelegten Originallichtbildern des Klägers, greift sie nicht in das Vervielfältigungsrecht nach § 15 UrhG ein.

 

Urheberrechtliche Beurteilung der Anzeige von Vorschaubildern im Suchergebnis der Suchmaschine der Beklagten:

 

Nach den Feststellungen empfängt der Browser des Nutzers von der Suchmaschine der Beklagten neben den Informationen über die Fundstellen (in Form der jeweiligen Internetadresse) bei Bildern zugleich den Befehl, die Bilder verkleinert als Vorschaubilder auf der Bildschirmoberfläche des Computers des Nutzers wiederzugeben. Damit stellt sich die Frage, ob diese Darstellungsform als Bearbeitung eines schutzfähigen Originals iSd § 5 UrhG zu beurteilen ist.

 

Da ausschließlich computergenerierte Ergebnisse keine geistigen Schöpfungen sein können, die unter den Schutz des Urheberrechts fallen, ist auch für eine Bearbeitung iSd § 5 UrhG ein Mindestmaß an menschlicher Tätigkeit zu fordern.

 

Daran fehlt es, wenn ein Computer mit Hilfe eines einmal festgelegten Programms völlig selbständig und ohne weiteres menschliches Zutun millionenfach aufgefundene Bilddateien zu Vorschaubildern konvertiert und damit nicht mehr bloß als Hilfsmittel menschlicher Tätigkeit eingesetzt wird, sondern die Aufgaben eines menschlichen Schöpfers zur Gänze übernimmt.

 

Daher kann bei der Verkleinerung von Bildern zu Vorschaubildern durch von Suchmaschinen ausgelöste Programmbefehle an Browser der Nutzer mangels Bearbeiter nicht von einer Bearbeitung iSd § 5 UrhG gesprochen werden. Die von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Vorschaubilder sind daher als reine „Maschinenschöpfungen“ weder selbständig geschützte menschliche Werke noch menschliche Bearbeitungen geschützter Werke und fallen nicht unter den Schutz des Urheberrechts.