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15.11.2011 Strafrecht

OGH: Vorwurf der wahrheitswidrigen Protokollierung eines Geständnisses durch den vernehmenden Polizeibeamten – Ausübung des Verteidigungsrechts durch den Angeklagten oder Verleumdung?

Das Verteidigungsrecht des Angeklagten findet jedenfalls dort seine Grenze, wo sich dieser nicht mehr bloß auf die Abwehr der ihn belastenden Tatsachen beschränkt, sondern seine Stellung als Tatverdächtiger zur Verletzung der Rechte anderer benützt, also etwa über die bloße Abwehr hinaus bewusst wahrheitswidrige erdichtete Tatsachen gegen andere vorbringt, die, wenn sie wahr wären, eine als Verbrechen zu qualifizierende Handlungsweise des der falschen Protokollierung eines Geständnisses bezichtigten Protokollverfassers begründen würden


Schlagworte: Verteidigungsrecht, Verleumdung, Vorbringen bewusst wahrheitswidriger erdichteter Tatsachen
Gesetze:

§ 7 StPO, § 297 StGB

GZ 15 Os 104/11z [1], 21.09.2011

 

OGH: Auf die Ausübung seines Verteidigungsrechts kann sich ein Angeklagter nur berufen, solange er die durch die Rechtsordnung gewährleisteten prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten wahrnimmt und ausschöpft. Dagegen findet das Verteidigungsrecht des Angeklagten jedenfalls dort seine Grenze, wo sich dieser nicht mehr bloß auf die Abwehr der ihn belastenden Tatsachen beschränkt, sondern seine Stellung als Tatverdächtiger zur Verletzung der Rechte anderer benützt, also etwa über die bloße Abwehr hinaus bewusst wahrheitswidrige erdichtete Tatsachen - auch nur in Form solcher Belastungsumstände - gegen andere vorbringt, die, wenn sie wahr wären, eine (wie hier) als Verbrechen zu qualifizierende Handlungsweise des der falschen Protokollierung eines Geständnisses bezichtigten Protokollverfassers begründen würden.

 

Nach den vorliegenden Konstatierungen erschöpfte sich die Äußerung des Angeklagten keineswegs in einem wahrheitswidrigen Vorwurf, der inhaltlich einem bloßen Leugnen gleichkommt, beschränkte sich der Angeklagte doch nicht darauf, die ihn belastenden Angaben zu bestreiten, was - auch wenn darin zwangsläufig der wider besseres Wissens erhobene Vorwurf der Unwahrheit gegenüber einem Belastungszeugen erblickt werden müsste - noch keine Verleumdung begründet.

 

Vielmehr äußerte er über die bloße Abwehr hinaus den wahrheitswidrigen Verdacht einer von Josef F***** begangenen, von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, indem er ihm - wie vom Berufungsgericht angenommen - die Protokollierung einer in keinem Punkt seiner Verantwortung entsprechenden Aussage unterstellte. Bei Prüfung der Frage, inwieweit noch eine straflose Verantwortung oder bereits eine rechtswidrige strafbare Beschuldigung vorliegt, kommt es im Übrigen nicht auf die Form der Äußerung oder die Wahl der Worte, sondern allein auf den inneren Gehalt des Vorbringens an.

 

Aus der von ihm zur Fundierung seines Rechtsstandpunkts angeführten Entscheidung des OGH 12 Os 1/74 ist für den Erneuerungswerber schon deshalb nichts zu gewinnen, weil sich die dort beurteilte Verantwortung eines Angeklagten, die gegen ihn erstatteten Anzeigen seien unwahr, die Beamten lögen und hätten ihn wissentlich falsch beschuldigt, mangels weiteren Tatsachenvorbringens ihrem Sinn nach nur als Negierung des Beweiswerts der Anzeigen darstellte, im vorliegenden Fall aber der Vorwurf der Falschprotokollierung erhoben wurde.

 

Dass Josef F***** keiner konkreten Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt war, schließt - wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - strafbaren relativ untauglichen Versuch nicht aus.