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06.12.2011 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob das Eindringen von Katzen auf den Nachbargrund nach § 523 ABGB zu bewerten ist oder einen Fall des § 364 Abs 2 ABGB darstellt

Das Eindringen von Katzen auf das Nachbargrundstück ist nach § 364 Abs 2 ABGB zu beurteilen; das Eindringen von Katzen auf das benachbarte Grundstück berechtigt dessen Eigentümer daher nur unter den Voraussetzungen der Ortsunüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs; die Ortsüblichkeit einer Immission findet erst dort ihre Grenzen, wo die ortsübliche Benützung der Nachbarliegenschaft derart beeinträchtigt wird, dass es nicht nur zu einer Belästigung, sondern zu Schäden an der Substanz des Grundstücks oder an der Person des Nachbarn kommt


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, Eigentumsfreiheitsklage, Eindringen von Katzen, Ortsunüblichkeit, Wesentlichkeit, Schäden, Verunreinigungen
Gesetze:

§ 364 ABGB, § 523 ABGB

GZ 5 Ob 138/11x [1], 09.11.2011

 

Die Beklagte hält auf ihrer Liegenschaft seit etwa 10 Jahren zwei Katzen, wobei der Kater kastriert und das Weibchen sterilisiert ist. Die Katzen der Beklagten werden als „Freigänger“ gehalten, sodass sie das Haus jederzeit verlassen und dorthin wieder zurückkehren können. Sie dringen – va nachts – bis zu zwei- bis dreimal täglich über den Maschendrahtzaun auf das Grundstück des Klägers ein und verrichten dort ihre Notdurft. Ein von der Beklagten auf ihrer Liegenschaft als Katzenklo eingerichtetes, mit Rindenmulch befülltes Beet hat nur kurzfristig Abhilfe gebracht. Es kommt auch vor, dass andere Tiere als Katzen auf das Grundstück des Klägers gelangen und dort ihre Notdurft verrichten

 

OGH: Klarzustellen ist zunächst, dass der Kläger mit seinem Begehren letztlich darauf abzielt, dass die Beklagte Maßnahmen ergreift, die ein Betreten seines Grundstücks durch deren Katzen verhindern, weil sonst schwer vorstellbar ist, wie die Beklagte die beanstandete Verschmutzung der Liegenschaft des Klägers hintanhalten soll. Primär ist damit also auf die Beeinträchtigung des Grundstücks durch das Eindringen der Katzen abzustellen.

 

Das Eigentum, auf das sich der Kläger mit diesem Begehren stützt, ist die „Befugnis, mit der Substanz und den Nutzen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden anderen davon auszuschließen“ (§ 354 ABGB). Wird in diese Befugnis des Eigentümers eingegriffen, kann er sich dagegen mit der Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria, §§ 354, 523 ABGB) zur Wehr setzen. Die Eigentumsfreiheitsklage ist die Klage des besitzenden Eigentümers, gerichtet auf die Abwehr von Störungen. Aus dem absoluten Charakter des Eigentumsrechts und einem aus § 523 ABGB gezogenen Größenschluss ergibt sich, dass die Klage gegenüber jedem zusteht, der unbefugt eingreift, mag er nun (irgend-)ein Recht hiezu behaupten oder nicht.

 

Die Abwehr unzulässiger Immissionen als nachbarrechtlicher Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB ist ein besonderer Anwendungsfall der Eigentumsfreiheitsklage. In diesem Fall erfasst der Abwehranspruch des Eigentümers nicht die im Gesetz demonstrativ aufgezählten Einwirkungen, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß nicht überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen.

 

Die Aufzählung jener Einwirkungen, die der Eigentümer unter den Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB hinnehmen muss, erfolgt nur demonstrativ. Eine alle denkbaren Fälle umfassende Regel dafür, wann Ereignisse vorliegen, die als den im Gesetz aufgezählten ähnlich anzusehen sind, kann nicht aufgestellt werden. Aus der im Gesetz beispielhaft erfolgten Aufzählung wird allgemein abgeleitet, dass grob körperliche Immissionen, also das Eindringen fester Körper größeren Umfangs, keinesfalls zu dulden sind.

 

Grundsätzlich ist anerkannt, dass auch Tiere solchen Einwirkungen gleich gehalten werden können. Über die Frage, bei welchen Tiergattungen das Eindringen auf ein fremdes Grundstück noch einen Anwendungsfall des § 364 Abs 2 ABGB darstellt, herrscht jedoch Uneinigkeit.

 

In der Lehre wird vertreten, dass die Eigentumsfreiheitsklage auf Unterlassung des Eindringens von Tieren nur dann von den Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB abhängig ist, wenn das Eindringen nach der Beschaffenheit der Tiere und der Art des Betriebs, zu dem sie gehören, schlechterdings unvermeidbar ist. Dieser, auf Klang zurückgehenden Auffassung hat sich auch Oberhammer angeschlossen. Auch Gaisbauer vertritt diese Meinung und führt dazu aus, dass diese Voraussetzung auf größere Tiere nicht zutrifft. Es sei nicht möglich, Körper unerheblichen Umfangs (wie Insekten, Tauben, Ratten und Mäuse und ähnliches) vom Nachbargrundstück fern zu halten. Nach Spielbüchler können ausschwärmende Hühner, nicht aber Schafe oder Schweine den Immissionen gleichgestellt werden. Eccher geht ebenfalls davon aus, dass das Eindringen größerer Tiere mit der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB abgewehrt werden kann.

 

In der Rsp wurden Schafe, Schweine und Hühner, Hühner, Bienen, Hunde und Katzen den Immissionen iSd § 364 Abs 2 ABGB gleichgestellt. In der Entscheidung 4 Ob 250/06b hat der OGH unter eingehender Auseinandersetzung mit der hL ausgesprochen, dass § 364 Abs 2 ABGB auf das Eindringen größerer Tiere nicht anzuwenden ist, wozu jedenfalls Schafe und Ziegen zählen (so auch jüngst 10 Ob 52/11m bei ausschwärmenden Hühnern). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es dem Eigentümer in einem solchen Fall möglich ist, die von seinem Grundstück ausgehende Beeinträchtigung eines anderen mit zumutbaren Maßnahmen zu verhindern. Zuletzt hatte sich der OGH in der Entscheidung 2 Ob 167/07h mit dem Eindringen von Katzen auf das Nachbargrundstück auseinanderzusetzen. Darin bestätigte der OGH die in der Entscheidung 4 Ob 250/06b vertretene Auffassung, wonach das Eindringen eines größeren Tieres in das benachbarte Grundstück einen Abwehranspruch begründe, ohne dass es auf die Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs nach § 364 Abs 2 ABGB ankäme, weil es dem Grundeigentümer in einem solchen Fall möglich sei, ein Eindringen auf das Nachbargrundstück mit zumutbaren Maßnahmen zu verhindern. Ob auch Katzen in diesem Sinn „größere Tiere“ darstellen, musste das Höchstgericht in dieser Entscheidung nicht beantworten, weil die im Verhältnis zu § 523 ABGB „strengeren“ Voraussetzungen des § 364 Abs 2 ABGB für das Unterlassungsbegehren jedenfalls erfüllt waren - dies (im Anlassfall) auch in Ansehung „fremder Katzen, weil durch die Art der Katzenhaltung [auf dem Grundstück der Beklagten] weitere Katzen aus der Umgebung angelockt werden“, woraus sich eine „zusätzliche Beeinträchtigung des Klägers“ ergab.

 

Nach § 4 Z 2 Tierschutzgesetz gehören Hauskatzen zu den Haustieren. Jedenfalls außerhalb des großstädtischen Bereichs ist eine Haltung dieser Tiere in der Form anerkannt, dass sie sich außerhalb des Wohnraums frei bewegen können. Die Anbindehaltung von Katzen ist auch kurzfristig nicht erlaubt (Anlage 1 Z 2 Abs 2 2. Tierhaltungsverordnung). Damit ist es mit zumutbaren (und gesetzlich zulässigen) Maßnahmen kaum zu verhindern, dass Katzen, sofern sie nicht ausschließlich als Wohnungskatzen gehalten werden, die Grundgrenze zum Nachbarn überschreiten. Im Ergebnis liefe die Rechtsansicht der Vorinstanzen daher auf eine ausschließliche Haushaltung hinaus, obwohl es nach den Feststellungen in der Landgemeinde der Streitteile durchaus ortsüblich ist, dass die Katzen so gehalten werden, dass sie freien Auslauf haben; dieser Rechtsauffassung vermag sich der erkennende Senat daher nicht anzuschließen.

 

Zunächst ist an der Überlegung festzuhalten, dass die Anwendung der Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB im Fall des Eindringens „größerer Tiere“ deshalb ausgeschlossen ist, weil der Grundeigentümer in solchen Fällen die von seinem Grundstück ausgehende Beeinträchtigung eines anderen mit zumutbaren Maßnahmen verhindern kann. Nach Klang aaO, auf den diese Auffassung zurückgeht, ist dabei nicht ausschließlich auf die Körpergröße des Tieres, sondern auch auf dessen Beschaffenheit abzustellen. Daraus ist abzuleiten, dass es dem Grundeigentümer und Halter eines „größeren Tieres“ unter Berücksichtigung von dessen Wesensart möglich sein muss, Vorkehrungen in einem zumutbaren Ausmaß zu treffen, um ein Eindringen auf das Nachbargrundstück zu verhindern. Kerschner und Kerschner/Wagner ist zuzustimmen, dass die Grenzüberschreitung einer Katze mit freiem Auslauf aufgrund ihrer Wesensart mit zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden kann. Es besteht auch kein gesetzliches Gebot, Katzen ausschließlich innerhalb von Wohnräumlichkeiten zu halten. Damit ist nach Ansicht des OGH aber an der Entscheidung 8 Ob 94/01h festzuhalten und das Eindringen von Katzen auf das Nachbargrundstück weiterhin nach § 364 Abs 2 ABGB zu beurteilen. Das Eindringen von Katzen auf das benachbarte Grundstück berechtigt dessen Eigentümer daher nur unter den Voraussetzungen der Ortsunüblichkeit und Wesentlichkeit des Eingriffs zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs.

 

Ausgehend von den Feststellungen überschreitet das Eindringen der zwei von der Beklagten gehaltenen Katzen auf das Grundstück des Klägers nicht die gesetzliche Grenze der Ortsüblichkeit und ist vom Kläger daher selbst dann hinzunehmen, wenn damit eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung seines Grundstücks verbunden ist. Die Ortsüblichkeit einer Immission nach dieser Gesetzesstelle findet erst dort ihre Grenzen, wo die ortsübliche Benützung der Nachbarliegenschaft derart beeinträchtigt wird, dass es nicht nur zu einer Belästigung, sondern zu Schäden an der Substanz des Grundstücks oder an der Person des Nachbarn kommt. Das kann bei den nach den Feststellungen mit dem Eindringen der Katzen auf das Grundstück des Klägers verbundenen Verunreinigungen - mögen diese auch für ihn unangenehm sein - nicht angenommen werden, weswegen ihm der nachbarrechtliche Abwehranspruch des § 364 Abs 2 ABGB versagt bleiben muss.