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03.01.2012 Verfahrensrecht

OGH: Zur Verpflichtung des Sachwalters, Belege zur Prüfung seiner Rechnungslegung vorzulegen

Hält das Pflegschaftsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen eine nähere Überprüfung einer laufenden Abrechnung mit Hilfe von (allen) Belegen für nötig und fordert es deren Vorlage, so ist ein entsprechender Auftrag durch das Gesetz gedeckt


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Sachwalterschaftsrecht, Rechnungslegung, andere Belege, gerichtlicher Auftrag
Gesetze:

§ 133 AußStrG, § 134 AußStrG, § 135 AußStrG, § 136 AußStrG, § 137 AußStrG, § 268 ABGB

GZ 7 Ob 184/11a [1], 09.11.2011

 

OGH: Der Revisionsrekurs übergeht zunächst, dass sich die Sonderbestimmung des § 133 Abs 3 AußStrG lediglich auf Eltern, Großeltern oder Pflegeeltern, die mit der Verwaltung des Vermögens im Rahmen der Obsorge betraut sind, bezieht. In jedem anderen Fall hat das Gericht die Verwaltung auch nicht nennenswerter Vermögen zu überwachen, wenn dies zur Abwendung der unmittelbar drohenden Gefahr für das Wohl des Betroffenen erforderlich ist. Im Rahmen der Überwachung der Verwaltung des Vermögens hat der gesetzliche Vertreter gegenüber dem Gericht zum Ablauf des ersten vollen Jahres der Überwachung (Antrittsrechnung), danach in angemessenen Zeitabständen von höchstens drei Jahren (laufende Rechnung) sowie nach Beendigung der Vermögensverwaltung (Schlussrechnung) Rechnung zu legen. Dazu hat das Gericht dem gesetzlichen Vertreter die erforderlichen Aufträge zu erteilen; bei der laufenden Rechnung und der Schlussrechnung hat dies jeweils mit der Entscheidung über die letzte Rechnung zu geschehen (§ 134 AußStrG). Die Verpflichtung anderer gesetzlicher Vertreter als Eltern, Großeltern und Pflegeeltern im Rahmen der Obsorge sowie der Jugendwohlfahrtsträger zur laufenden Rechnungslegung kann das Gericht einschränken, soweit dadurch kein Nachteil für den Pflegebefohlenen zu besorgen ist (§ 135 Abs 2 AußStrG). Selbst wenn der gesetzliche Vertreter dem Gericht gegenüber von der Rechnungslegung befreit ist, bleibt er verpflichtet, Belege über die Verwaltung nennenswerten Vermögens zu sammeln, sie aufzubewahren und dem Gericht den Erwerb unbeweglicher Sachen oder eine Überschreitung des Werts von 10.000 EUR mitzuteilen (§ 135 Abs 2 und 3 AußStrG). Zur Abwehr einer Gefährdung des Wohls des Pflegebefohlenen hat das Gericht einem gesetzlichen Vertreter einen besonderen Auftrag zur Rechnungslegung zu erteilen (§ 135 Abs 4 AußStrG). In der Rechnung ist zuerst das Vermögen des Pflegebefohlenen, wie es am Anfang des Rechnungszeitraums vorhanden war, auszuweisen. Sodann sind die Veränderungen des Stammvermögens, die Einkünfte und Ausgaben und schließlich der Stand des Vermögens am Ende des Rechnungszeitraums anzugeben. Die Rechnung ist leicht nachvollziehbar zu gestalten (§ 136 Abs 1  AußStrG). Soweit nach anderen Vorschriften ein Jahresabschluss aufzustellen oder eine Abgabenerklärung abzugeben ist, hat der gesetzliche Vertreter in der Rechnung darauf hinzuweisen und diese Unterlagen, soweit bereits verfügbar, der Rechnung anzuschließen. Andere Belege, zu deren Sammlung und Aufbewahrung der gesetzliche Vertreter verpflichtet ist (§ 135 Abs 4 AußStrG), sind nur auf Verlangen des Gerichts vorzulegen (§ 136 Abs 2  AußStrG). Ergeben sich keine Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnung, so hat sie das Gericht zu bestätigen. Sonst ist der gesetzliche Vertreter aufzufordern, die Rechnung entsprechend zu ergänzen oder zu berichtigen; misslingt dies, so ist die Bestätigung zu versagen (§ 137 Abs 1 AußStrG). Zugleich mit der Entscheidung hat das Gericht über Anträge des gesetzlichen Vertreters auf Gewährung von Entgelt, Entschädigung für persönliche Bemühungen und Aufwandersatz zu entscheiden (§ 137 Abs 2 AußStrG). Die Entscheidung über die Rechnung beschränkt nicht das Recht des Pflegebefohlenen, Ansprüche, die sich aus der Vermögensverwaltung ergeben, auf dem streitigen Rechtsweg geltend zu machen (§ 137 Abs 3 AußStrG).

 

§ 133 AußStrG ist auch in Sachwalterschaftssachen anzuwenden. Zum Wohl der betroffenen Person besteht die wesentliche Rolle des Gerichts nach § 133 AußStrG darin, gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung der Vermögenswerte zu setzen und den Sachwalter bei der Verwaltung des Vermögens zu überwachen.

 

Nach der ErläutRV war das Ziel der Neuregelung hinsichtlich der Rechnungslegung va das Zurückdrängen überflüssiger, nicht dem Wohl des Pflegebefohlenen dienender Formalismen; Gericht und gesetzlicher Vertreter sollen im Bereich der Vermögensverwaltung entlastet werden, soweit dies mit dem Schutz des Pflegebefohlenen vereinbar ist. Dieses Ziel soll durch Einzelmaßnahmen erreicht werden, ua durch die Neudefinition der gerichtlichen Entscheidung über die Rechnung als Unbedenklichkeitsbestätigung, die weitergehende Ansprüche der Beteiligten und deren Verfolgung iSd § 137 Abs 1 und 3 AußStrG nicht hindert. Auch wenn individuelle Ausnahmen von der Rechnungslegungspflicht vom Gericht mit besonderem Beschluss verfügt werden können, so bleibt der gesetzliche Vertreter aber auch im Einkünfte- bzw Vermögensbereich bis einschließlich 10.000 EUR zur Sammlung und Aufbewahrung von Belegen verpflichtet. Damit ist keine unvertretbare Beschwer verbunden, weil auch in eigenen Vermögensangelegenheiten bei vorsichtiger Vorgangsweise in aller Regel Belege aufbewahrt werden. Durch § 135 Abs 3 AußStrG werden alle gesetzlichen Vertreter, also auch diejenigen, die generell oder individuell befreit sind, zur Sammlung und Verwahrung aller das verwaltete Vermögen betreffenden Belege verpflichtet. Diese Vorschrift stellt in erster Linie eine Schutzbestimmung für den betreffenden Vermögensverwalter selbst dar: Wenn - aus welchen Gründen und von welcher Seite immer - Bedenken an seiner Objektivität, an seiner Verlässlichkeit oder an seiner Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Verwaltung geäußert werden, soll er in der Lage bleiben, durch Vorlage der darauf Bezug habenden Belege die Richtigkeit seiner Verwaltung darzutun.

 

Die Erläuternden Bemerkungen verdeutlichen, was sich im Zusammenhalt von §§ 136 Abs 2 mit 135 Abs 4 AußStrG ergibt, dass nämlich der gesetzliche Vertreter, auch wenn er von einer Pflicht zur laufenden Rechnungslegung befreit ist, verpflichtet bleibt, die Belege über die Verwaltung und Verwendung von Einkommen und Vermögen zu sammeln und aufzubewahren. Damit soll auch bei einer Befreiung von der laufenden Rechnungslegung dem Gericht die Möglichkeit erhalten bleiben, im konkreten Anlassfall dem Sachwalter einen besonderen Auftrag zur Rechnungslegung zu erteilen. Diese Bestimmung dient aber nicht nur dem Schutz des Sachwalters, sondern (genauso wesentlich) dem Schutz des Pflegebefohlenen selbst, wird doch sonst die Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber dem gesetzlichen Vertreter erschwert. Zudem soll gewährleistet sein, dass das Gericht eine Gefährdung des Wohls des Pflegebefohlenen abwendet.

 

Andere als die in § 136 Abs 2 AußStrG genannten Belege sind nur auf Verlangen des Gerichts vorzulegen, wobei das Gesetz nicht definiert, welche Umstände dafür Voraussetzung sein sollen.

 

Nach dem Ziel des Gesetzgebers soll sich die Prüfung der Rechnung nur auf deren formale Richtigkeit beziehen und vom Gericht nur eine Art „Unbedenklichkeitsbestätigung“ erteilt werden. Dennoch hat das Gericht nach dem Gesetz für eine Abwehr einer Gefährdung des Wohls des Pflegebefohlenen zu sorgen. Wie aber sollte das Gericht (außer bei entsprechender Information durch Dritte) eine allfällige Gefährdung des Wohls des Pflegebefohlenen erkennen können, wenn es nicht nach pflichtgemäßem Ermessen grundsätzlich jederzeit berechtigt wäre, stichprobenartig die Rechnung unter Zuhilfenahme aller Belege zu prüfen. Dies wirkt auch zum Schutz des Pflegebefohlenen generalpräventiv, weil vom Rechnungslegegungspflichtigen mit dieser Kontrolltätigkeit des Gerichts gerechnet werden muss. Es bleibt (mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben) dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts im Einzelfall überlassen, wann und in welchem Ausmaß es eine Belegvorlage fordert, um sich zu vergewissern, dass das Wohl des Pflegebefohlenen nicht gefährdet ist.

 

Hält also das Pflegschaftsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen eine nähere Überprüfung einer laufenden Abrechnung mit Hilfe von (allen) Belegen für nötig und fordert es deren Vorlage, so ist ein entsprechender Auftrag durch das Gesetz gedeckt.

 

Das vom Sachwalter eingewandte Kostenargument ist nicht überzeugend. Es ist nicht erforderlich, von allen Kontoauszügen und Belegen auf Kosten des Betroffenen eine Kopie anzufertigen. Der Sachwalter erhält die Belege nach Prüfung durch das Gericht zurück. Die Belege betreffen einen vergangenen Zeitraum. Es ist nicht erkennbar, inwiefern laufende Buchungen ohne die alten Belege nicht möglich sein sollten. Auch der unverhältnismäßige personelle Zeitaufwand, der laut Revisionsrekurs für das Ordnen der Belege notwendig werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Werden die Belege bereits entsprechend chronologisch den Kontoblättern folgend abgelegt, so sollte die Vorlage keinen zusätzlichen Aufwand erfordern. Sollte der Sachwalter die Belege nicht entsprechend zweckmäßig geordnet haben, so ginge dies nicht zu Lasten des Betroffenen.

 

Gibt der gesetzliche Vertreter zu erkennen, dass er über den Umfang der Belegvorlage unsicher ist, ist ihm ein zweiter Verbesserungsauftrag zu erteilen, bevor der Rechnungslegung die Bestätigung versagt werden kann.