05.09.2012 Arbeitsrecht

VwGH: Weisung an Universitätsprofessor, Entschuldigung für Plagiat zu veröffentlichen?

Eine Dienstpflicht zur Publikation von Forschungsergebnissen eines Universitätsprofessors kann nicht aus dem Gesetz abgeleitet werden; umso weniger besteht eine solche zur Veröffentlichung einer persönlichen Entschuldigung bzw eines im eigenen Namen formulierten Eingeständnisses eines Plagiates


Schlagworte: Beamtendienstrecht, Universitätsprofessor, Dienstpflichten, Weisung, Plagiat, Entschuldigung, Veröffentlichung
Gesetze:

§ 44 BDG, § 45 BDG, § 155 BDG, § 165 BDG, § 106 UG, Art 20 B-VG, Art 13 StGG, Art 17 StGG, Art 10 EMRK

GZ 2011/12/0172, 27.06.2012

 

VwGH: Bereits im ersten Rechtsgang hat der VwGH das Feststellungsinteresse des Bf bejaht und ausgesprochen, dass die in Rede stehende Weisung jedenfalls die Rechtssphäre des Bf berührt, verpflichtet sie ihn doch, den Abdruck eines Textes in zwei Fachzeitschriften zu veranlassen und damit zur Abgabe einer an die Öffentlichkeit gerichteten Erklärung. Weiters hat der VwGH ausgeführt, dass die Anordnung - die eine Reaktion auf eine vom Bf als Co-Autor mitveröffentlichte wissenschaftliche Publikation darstellt und diesen zu einer Äußerung an die Öffentlichkeit verpflichtet - jedenfalls in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Informations- und Meinungsfreiheit iSd Art 10 EMRK und Art 13 StGG eingreift, ferner aber, da es um eine Äußerung bezüglich einer früheren wissenschaftlichen Publikation geht, auch in das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit (Art 17 StGG). Ebenso hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, dass - unbeschadet der Frage, inwieweit ein allfälliges Plagiat seitens eines Universitätslehrers im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis als Dienstpflichtverletzung zu qualifizieren ist - er vorläufig nicht zu erkennen vermag, aus welcher Bestimmung des als Rechtsgrundlage ins Treffen geführten BDG eine Dienstpflicht eines Universitätslehrers abgeleitet werden könnte, das Eingeständnis eines Plagiates zu veröffentlichen und sich in einer solchen Veröffentlichung dafür zu entschuldigen.

 

Die vorliegende, an den VwGH gerichtete Beschwerde sieht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Spruchabschnittes II.) vorrangig darin, dass der Rektor zur Erteilung der verfahrensgegenständlichen Weisung unzuständig gewesen sei. Der Bf führt aus, die belangte Behörde habe - in Übereinstimmung mit den Aussagen des VwGH in seinem Erkenntnis vom 4. Februar 2009 - zu Recht festgestellt, dass die Weisung mangels Deckung in den Dienstpflichten eines Universitätsprofessors rechtswidrig sei. Da das von der Weisung erfasste Verhalten nicht zum Pflichtenkreis des Bf gehöre, liege die gesamte Weisung somit - sowohl ihrem Inhalt als auch ihrer "grundsätzlichen Existenz" nach - außerhalb seiner Dienstpflichten, sodass sie für den Bf in seiner Funktion als Universitätsprofessor keinerlei Wirkung (insbesondere keine Verpflichtung zu deren Befolgung) entfalten könne. Die Weisung sei daher ohne eine im Rahmen des Dienstrechtes gelegene und ohne jegliche andere erdenkliche rechtliche Grundlage ergangen. Umso weniger bestehe eine gesetzliche Grundlage für eine Pflicht zur Befolgung einer solchen (rechtsgrundlos ergangenen) Weisung. Da Spruchabschnitt II.) des angefochtenen Bescheides jeglicher Rechtsgrundlage entbehre, sei er gesetzlos und willkürlich ergangen und schon aus diesem Grund rechtswidrig. Da die gegenständliche Weisung keine innerhalb der Dienstpflichten des Bf liegende Tätigkeit betroffen habe und keine Dienstpflicht konkretisiere und somit völlig außerhalb des Dienstbereiches und der Dienstpflichten des Bf gelegen sei, ergebe sich daraus zwingend, dass der Rektor und der Vizerektor der Medizinischen Universität Wien für die Erteilung einer solchen Weisung gar nicht zuständig gewesen seien. Außerhalb des Dienstbereiches und der Dienstpflichten des Bf hätte weder der Rektor noch der Vizerektor die Kompetenz zur Erteilung von Weisungen an den Beschwerdeführer. Die belangte Behörde habe daher unter Hinweis auf § 23 Abs 1 Z 5 UG 2002 zu Unrecht eine die Befolgungspflicht ausschließende Unzuständigkeit verneint. Außerhalb des Dienstbereiches und der Dienstpflichten des Bf stehe dem Rektor keine Diensthoheit und somit auch keine Kompetenz zur Weisungserteilung zu. In diesem Bereich unterstehe der Bf auch nicht der Leitung, dem Aufbau und der Organisation der Universität, sodass das UG 2002 gar nicht zur Anwendung gelange. Der Bf habe daher zu Recht gem Art 20 Abs 1 letzter Satz B-VG die Befolgung der Weisung ablehnen können, weil diese von einem unzuständigen Organ erteilt worden sei.

 

Schon mit diesem Vorbringen ist der Bf im Recht. Im Beschwerdefall geht der Rechtsstreit vorrangig um die Frage, ob aus dem BDG die Zuständigkeit des Rektors zur Erteilung einer Weisung abgeleitet werden kann, das persönliche Eingeständnis eines Plagiates zu veröffentlichen und sich in einer solchen Veröffentlichung im eigenen Namen dafür zu entschuldigen.

 

Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift die "abstrakte Zuständigkeit" des Rektors in Forschungsangelegenheiten ins Treffen. So sei es zulässig, etwa die Forschungsfelder, allenfalls auch die Forschungsthemen dem Universitätsprofessor in Konkretisierung seiner Dienstpflichten nach §§ 155 iVm 165 BDG der selbstständigen wissenschaftlichen Forschung vorzugeben; dem Rektor komme gegenüber einem beamteten Universitätsprofessor zumindest die "abstrakte Zuständigkeit" zur Gestaltung der (äußeren Gegebenheiten) der Dienstpflicht "Forschung" zu. Somit sei im Beschwerdefall eine bestehende Zuständigkeit zur Weisungserteilung - diese allerdings rechtswidrig - in Anspruch genommen worden, wobei - unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. November 2001, 95/12/0058 - nicht jede Rechtswidrigkeit einer Weisung zur Unzuständigkeit des weisungserteilenden Organs führe. Im Hinblick auf diese abstrakte Zuständigkeit könne eine Unzuständigkeit des Rektors nicht angenommen werden, zumal eine solche nur vorliegen würde, wenn dem Anweisenden in dieser Verwaltungsangelegenheit überhaupt keine Zuständigkeit zukommen würde. Obzwar die belangte Behörde den wissenschaftsethischen Grundsätzen der "Good Scientific Practice" keine direkte Rechtsverbindlichkeit zugestand, bejahte sie einen engen Konnex zur Wahrnehmung der Dienstpflicht "Forschung" zur Frage der fachgerechten wissenschaftlichen Veröffentlichung. Sofern also ein Universitätsprofessor seine Forschungsleistungen im Wege der Veröffentlichung bekannt machen wolle - wobei die belangte Behörde eine im Dienstrecht verankerte allgemeine Publikationspflicht bzw eine Pflicht zur Veröffentlichung von "Ehrenerklärungen" verneint - habe er dies entsprechend gewissenhaft zu tun, sodass kein völliges Fehlen einer konkretisierbaren Dienstpflicht anzunehmen sei, und sohin zumindest eine "abstrakte Zuständigkeit" des Rektors im Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Weisung vorgelegen sei.

 

Die belangte Behörde verkennt hier allerdings, dass die in Rede stehende Weisung zwar im Zusammenhang zur Dienstpflicht des Bf "Forschung" gesehen werden kann, die dienstliche Forschungsverpflichtung an sich aber nicht im Vordergrund steht; die verfahrensgegenständliche Weisung verpflichtet den Bf zu einem - einer Selbstbezichtigung gleichkommenden - Eingeständnis eines Plagiates in der Öffentlichkeit und einer damit einhergehenden Entschuldigung im eigenen Namen; eine solche Anordnung betrifft den persönlichen - nicht durch dienstliche Anordnungen gestaltbaren - Bereich des Bf.

 

Dass es sich bei der Anordnung, das Eingeständnis eines Plagiates zu veröffentlichen und sich in einer solchen Veröffentlichung dafür im eigenen Namen zu entschuldigen, um die Gestaltung von Dienstpflichten eines Universitätsprofessors handelt, könnte nur angenommen werden, wenn Dienstrechtsvorschriften bestünden, die einen entsprechenden Pflichtenkreis des Beamten begründeten. Gegenstand einer dienstlichen Weisung kann schließlich immer nur eine Angelegenheit sein, die in den Aufgabenkreis des Angewiesenen in seiner Eigenschaft als Organ fällt, die also zu seinen dienstlichen Aufgaben gehört. Der VwGH vermag keine Bestimmung des BDG zu erkennen, durch welche die Veröffentlichung des Eingeständnisses eines Plagiates und eine Entschuldigung hiefür im eigenen Namen dem dienstrechtlichen Pflichtenkreis eines in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Universitätsprofessors zugeordnet worden wäre.

 

Die Bestimmung des § 155 BDG umschreibt zunächst abstrakt die allgemein festgelegten dienstlichen Aufgaben, die Universitätslehrern zur Besorgung zugewiesen sind, welche durch Normierung der "Besonderen Aufgaben" in § 165 BDG für Universitätsprofessoren konkretisiert werden. Die Erfüllung dieser Aufgaben (darunter auch die dienstliche Verpflichtung zur Forschung) gehört zu den Dienstpflichten der Universitätsprofessoren, welche auch disziplinarrechtlich sanktioniert werden können. Mit diesen Normen wird den Universitätsprofessoren eine Forschungsverpflichtung aufgetragen, wobei sie dabei als Träger des Grundrechtes der Wissenschaftsfreiheit (Art 17 StGG) weitgehend von Weisungen freigestellt sind. Eine Determinierung der Forschung des Universitätsprofessors, wie sie etwa im Zuge eines "Forschungsplanes" oder gemeinsamen Forschungs- bzw Publikationsprojektes stattfinden könnte, wird demnach nur als "globale" Forschungsverpflichtung in Betracht kommen; demzufolge werden nur Forschungsfelder, allenfalls auch Themen, keinesfalls jedoch Inhalt oder Methode der Forschung durch Weisung vorgegeben werden können; die Freiheit der Forschung umfasst die Wahl von Forschungsgegenstand und Forschungsmethode sowie die Aufzeichnung und Veröffentlichung der Ergebnisse.

 

Die Bestimmung des § 43 Abs 1 BDG findet auf Universitätsprofessoren insoweit Anwendung, als diese dienstlich im Bereich der Forschung und/oder Lehre tätig sind. Als Teil der Verpflichtung zur rechtmäßigen und gewissenhaften Aufgabenerledigung iSd § 43 Abs 1 BDG könnte die Einhaltung der wissenschaftsethischen Grundsätze der "Good Scientific Practice" verstanden werden, wobei auch solche allgemeinen Richtlinien ihre Schranken in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten des Beamten finden und dabei in erster Linie an das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Art 17 StGG) bzw das Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit iSd Art 10 EMRK und Art 13 StGG zu denken ist.

 

Dem Rektor mag allenfalls zugestanden werden, Universitätsprofessoren mit Weisungen dazu zu verhalten, die an der Medizinischen Universität Wien anerkannten wissenschaftsethischen Grundsätze der "Good Scientific Practice" einzuhalten; die Anordnung einer öffentlichen Entschuldigung bzw das Eingeständnis eines Plagiates zu veröffentlichen, ist daraus aber nicht ableitbar. Vielmehr greift eine solche Anordnung in den nicht durch dienstliche Weisungen gestaltbaren persönlichen und durch Art 13 und 17 StGG bzw Art 10 EMRK geschützten Bereich des Bf ein, zumal hier eine angeordnete Veröffentlichung einer - nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Universität stehenden - persönlichen Entschuldigung des Bf und ein damit einhergehendes Eingeständnis eines Plagiates im Rahmen eines im eigenen Namen des Bf (mit-)veröffentlichten wissenschaftlichen Artikels im Vordergrund steht und nicht die universitären Forschungsverpflichtung des Bf an sich. Dem Rektor bzw der Medizinischen Universität Wien mag das legitime Interesse zugestanden werden, auf eine qualitätsvolle Lehre und Forschung hinzuwirken; insbesondere auch dann, wenn die Veröffentlichung solcher Korrekturen den internationalen wissenschaftsethischen Standards entspricht. Diesbezüglich bliebe es dem Rektor der Medizinischen Universität Wien zur Sicherung der wissenschaftlichen Integrität und Qualität unbenommen, eine Korrektur der publizierten fehlerhaften Daten im Namen der Medizinischen Universität zu veröffentlichen, sofern er dies im vorliegenden Fall für rechtlich zulässig oder gar für geboten hält.

 

Wie von der belangten Behörde festgestellt, kann aber aus den durch Gesetz normierten Dienstpflichten an sich keine Verpflichtung zur Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten abgeleitet werden. Es bleibt einem Universitätsprofessor als Grundrechtsträger der Wissenschaftsfreiheit nach Art 17 StGG vorbehalten zu entscheiden, ob er seine Forschungsarbeit der Öffentlichkeit zugänglich macht oder nicht, unabhängig davon, inwieweit sich unzureichende Publikationen im Hinblick auf die in § 14 Abs 7 UG 2002 normierte Leistungsevaluation von Universitätsprofessoren niederschlagen. Im Falle nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemachter Forschungsergebnisse kann nämlich nicht per se darauf geschlossen werden, dass der Universitätsprofessor seiner dienstlichen Forschungsverpflichtung nicht bzw nicht fachgerecht nachgeht. Der Nachweis der dienstlichen Forschungsverpflichtung iSd §§ 155 Abs 1 iVm 165 Abs 1 Z 1 BDG kann schließlich auch anders als durch Publikation wissenschaftlicher Artikel erbracht werden. Insofern ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass eine Dienstpflicht zur Publikation von Forschungsergebnissen eines Universitätsprofessors nicht aus dem Gesetz abgeleitet werden kann. Umso weniger besteht eine solche zur Veröffentlichung einer persönlichen Entschuldigung bzw eines im eigenen Namen formulierten Eingeständnisses eines Plagiates.

 

Auch § 43 Abs 2 BDG bietet, insoweit er auch außerdienstliches Verhalten regelt, keine allgemeine Rechtsgrundlage für Vorgesetzte, die dort normierten Pflichten des Beamten durch Weisungen betreffend sein privates Verhalten näher auszugestalten.

 

Dort wo das Dienstrecht überhaupt keine Rechtsgrundlage für eine Anordnung bietet, dh wenn keine Dienstpflicht des untergeordneten Beamten besteht, die der Vorgesetzte mit seiner Weisung denkbarerweise konkretisieren könnte, kann ein Vorgesetzter nicht einmal "abstrakt" zuständig sein. Dies trifft nach Auffassung des VwGH auch im vorliegenden Fall zu. Ebenso wenig kann ein Beamter durch Weisung zur Selbstbezichtigung mit allfälligen disziplinären Folgen - auch außerhalb eines Disziplinarverfahrens - verhalten werden.

 

Wie oben dargelegt, betrifft die hier strittige Anordnung kein durch Weisung gestaltbares dienstliches Verhalten. Zur Erteilung einer derartigen Weisung ist kein Vorgesetzter zuständig, sodass in Ansehung einer solchen Weisung auch aus dem Grunde des Art 20 Abs 1 B-VG bzw des § 44 Abs 2 BDG keine Befolgungspflicht abzuleiten ist.