26.09.2012 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: § 9 Abs 6 VStG – Haftung der außenvertretungsbefugten Organe trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten bei vorsätzlicher Nichtverhinderung der Tat

Um dem Bf vorwerfen zu können, die Taten (zumindest bedingt) vorsätzlich nicht verhindert zu haben, reicht es nicht aus, auf eine fehlende Kontrolle der bestellten strafrechtlich Verantwortlichen hinzuweisen


Schlagworte: Besondere Fälle der Verantwortlichkeit, außenvertretungsbefugte Organe, verantwortlicher Beauftragten, vorsätzliche Nichtverhinderung der Tat
Gesetze:

§ 9 Abs 6 VStG

GZ 2010/04/0146, 22.05.2012

 

VwGH: Gem § 9 Abs 6 VStG bleiben die zur Vertretung nach außen berufenen Personen iSd Abs 1 trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten - unbeschadet der Fälle des § 7 - strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.

 

Die Anwendung des § 9 Abs 6 VStG setzt die rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sowie die vorsätzliche Nichtverhinderung der vom verantwortlichen Beauftragten begangenen Tat voraus. Diese für die strafrechtliche Haftung nach der genannten Bestimmung erforderlichen Tatbestandselemente müssen bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat iSd § 44a Z 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses zum Ausdruck kommen. Diese wesentlichen Tatbestandselemente sind auch solche, die Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung zu sein haben.

 

Wenn sich die Behörde in ihrer Begründung auf § 9 Abs 6 VStG stützt, hat sie ihre Annahme, der Beschuldigte habe die Tat nicht vorsätzlich verhindert, zu begründen.

 

Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde - im Gegensatz zur Strafbehörde erster Instanz - implizit davon aus, dass vorliegend ein verantwortlicher Beauftragter bestellt worden sei. Sie stützte die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses sodann auf die Bestimmung des § 9 Abs 6 VStG.

 

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die von der belangten Behörde zitierte Rsp des VwGH zur Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems nicht Fälle einer Verantwortlichkeit nach § 9 Abs 6 VStG betrifft.

 

Nach § 9 Abs 6 VStG kommt es alleine auf die rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sowie die vorsätzliche Nichtverhinderung der vom verantwortlichen Beauftragten begangenen Tat an. Diese Tatbestandselemente müssen bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat iSd § 44a Z 1 VStG im Spruch zum Ausdruck kommen und müssen bereits Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung gewesen sein.

 

Um dem Bf vorwerfen zu können, die Taten (zumindest bedingt) vorsätzlich nicht verhindert zu haben, reicht es nicht aus, auf eine fehlende Kontrolle der bestellten strafrechtlich Verantwortlichen hinzuweisen. Es hätte vielmehr festgestellt werden müssen, dass der Bf von Übertretungen des MEG in den Filialen des Unternehmens wusste (und nicht bloß wissen musste), weitere derartige Übertretungen in Kauf nahm und sich damit abfand.