26.12.2012 Fremdenrecht

VwGH: Schubhaftbeschwerde nach § 82 FPG bei (nach erklärtem Verzicht auf Beratung) verspäteter Zur-Seite-Stellung eines Rechtsberaters?

Eine Schubhaftbeschwerde nach § 82 FPG ist von der Anfechtung bestimmter Vorkommnisse - oder Unterlassungen - während des Schubhaftvollzugs zu trennen; bezüglich dieser sind Beschwerden iSd § 67a Z 2 AVG bzw nach § 88 SPG statthaft, die auch nicht als Unterfall der Schubhaftbeschwerde angesehen werden können


Schlagworte: Fremdenrecht, Schubhaftbeschwerde, Rechtsberatung, Unterlassung, verspätet, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Maßnahmenbeschwerde
Gesetze:

§ 82 FPG, § 84 FPG, § 85 FPG, § 76 FPG, § 57 AVG, § 67a AVG, § 88 SPG

GZ 2012/21/0032, 16.11.2012

 

VwGH: Die Regierungsvorlage zum FrÄG 2011 führt zu §§ 84, 85 FPG aus:

 

"Zu § 84:

Die Gewährung der Rechtsberatungen erfolgt, in Umsetzung der Vorgabe des Art 13 Abs 4 der RückführungsRL, für den Drittstaatsangehörigen kostenlos. Es besteht für den Fremden keinerlei Verpflichtung, die Rechtsberatungen in Anspruch zu nehmen. Der Zugang zu kostenloser Rechtsberatung steht dem Fremden daher jederzeit frei.

 

Zu § 85:

§ 85 normiert, dass einem Fremden bei Abschiebung, Schubhaft, gelinderem Mittel oder sonstiger Befehls- und Zwangsgewalt kostenlos ein Rechtsberater amtswegig bei der Behörde zur Seite zu stellen ist. ... Die Rechtsberater sollen auch in diesem Teil des Rechtsberatungssystems die von Maßnahmen Betroffenen umfassend beraten oder auf ihr Ersuchen hin vertreten."

 

Die Amtsbeschwerde verweist darauf, dass der Mitbeteiligte ausdrücklich auf Rechtsberatung verzichtet und ausgeführt habe, er wolle mit dem Verein "Menschenrechte Österreich" Rücksprache halten. Die gem § 85 FPG vorgesehene amtswegige Zur-Seite-Stellung eines Rechtsberaters sei außerdem keine Voraussetzung für die - von der belangten Behörde zutreffend als erforderlich erachtete - Schubhaft. Dementsprechend habe auch eine verspätete Zur-Seite-Stellung keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Anhaltung. Dem Betroffenen stehe es frei, insoweit einen durch das rechtswidrige Handeln eines Organes erlittenen Schaden im Wege der Amtshaftung geltend zu machen. Es sei dem FPG jedoch nicht zu entnehmen, dass ein Verfahren, in dem ein Anspruch auf Rechtsberatung bestehe und diese verspätet zur Seite gestellt werde, allein dadurch rechtswidrig werde. Die Zur-Seite-Stellung eines Rechtsberaters bilde nämlich keine tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Schubhaft. Es sei daher verfehlt, die Anhaltung in der Zeit vom 19. bis zum 22. Dezember 2011 für rechtswidrig zu erklären.

 

Mit diesen Ausführungen zeigt die Amtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend auf, dass eine Schubhaftbeschwerde nach § 82 FPG von der Anfechtung bestimmter Vorkommnisse - oder Unterlassungen - während des Schubhaftvollzugs zu trennen ist. Bezüglich dieser sind nach stRsp des VwGH Beschwerden iSd § 67a Z 2 AVG bzw nach § 88 SPG statthaft, die auch nicht als Unterfall der Schubhaftbeschwerde angesehen werden können.

 

Eine - hier von der belangten Behörde angenommene - zu Unrecht erfolgte Unterlassung der Zur-Seite-Stellung eines Rechtsberaters gem § 85 Abs 1 FPG, die sich naturgemäß nicht notwendig auf die Rechtmäßigkeit des Fortdauerns der Haft auswirken muss, stellt bloß eine derartige Unterlassung während des Schubhaftvollzugs dar, die ausschließlich mit Beschwerden der vorgenannten Art bekämpft werden kann. Schon daraus ergibt sich, dass das Aufgreifen dieses Umstandes im Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Anhaltung in Schubhaft und die allein darauf gestützte Erklärung der Anhaltung als rechtswidrig mit der Rechtslage nicht in Einklang zu bringen ist.