13.03.2013 Wirtschaftsrecht

VwGH: Überprüfung eines Betriebes iSd § 338 GewO – Ausweiskontrollen durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien sowie Filmen eines privaten Kamerateams durch § 338 GewO gedeckt?

Die Durchführung der Ausweiskontrollen - ohne dass hiefür die Voraussetzungen des § 338 GewO und des § 35 SPG vorlagen - verletzt mittelbar die bf Gesellschaft in ihren Rechten nach § 338 GewO und belastet diese Maßnahme mit Rechtswidrigkeit, weil damit das Gebot der möglichsten Schonung des Gewerbetreibenden missachtet wurde; die dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnende Beiziehung des Filmteams eines privaten Fernsehsenders und dessen Tätigwerden, das der Information der Öffentlichkeit dienen sollte, findet in § 338 GewO keine Deckung


Schlagworte: Gewerberecht, Überprüfung eines Betriebes, Ausweiskontrollen, Filmen eines privaten Kamerateams, Maßnahmenbeschwerde, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
Gesetze:

§ 338 GewO, § 336 GewO, § 366 GewO, § 35 SPG, § 17 SPG, § 88 Abs 1 SPG, § 67a Abs 1 Z 2 AVG, Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG

GZ 2008/04/0216, 31.01.2013

 

Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist die Beiziehung eines Kamerateams eines privaten Fernsehsenders durch den Magistrat der Stadt Wien und das Filmen durch dieses Filmteam im Zuge einer dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnenden Lokalkontrolle sowie das ebenfalls im Zuge dieser Lokalkontrolle erfolgte Vorgehen von Organen der Bundespolizeidirektion Wien (Ausweiskontrollen bei Gästen des Lokals)

 

VwGH: Zu den Ausweiskontrollen durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien:

 

Der Magistrat der Stadt Wien hat diesbezüglich vorgebracht, die "Vertreter der Sicherheitswache" hätten Amtshandlungen nach dem SPG durchgeführt. Die Bundespolizeidirektion Wien habe Hinweise gehabt, dass in diesem Lokal Übertretungen nach dem Prostitutionsgesetz begangen würden.

 

§ 338 GewO rechtfertigt ein Betreten von Betrieben usw nur insoweit, als dies zur Vollziehung der gewerberechtlichen Vorschriften erforderlich ist. Nähere Regelungen über die Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen des § 336 GewO trifft § 338 Abs 1 dritter und vierter Satz. Dass gegen jene Lokalgäste, bei denen eine Identitätsfeststellung vorgenommen wurde, der Verdacht einer Verwaltungsübertretung gem § 366 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 GewO und damit eine Verpflichtung zur Ausweisleistung vorlag, wurde nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Die "bei den anwesenden Gästen" durchgeführten Ausweiskontrollen können daher nicht auf Bestimmungen der GewO gestützt werden.

 

Aber auch ein berechtigtes Vorgehen nach § 35 Abs 1 Z 2 lit a SPG liegt nicht vor: Nach dieser Bestimmung darf die Identität von Personen festgestellt werden, die sich an einem Ort aufhalten, zu dem der dringende Verdacht besteht, dass sich dort "mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen". Mit beträchtlicher Strafe sind gem § 17 SPG jene gerichtlich strafbaren Handlungen bedroht, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe sanktioniert sind. Prüft man die Zulässigkeit der Ausweiskontrollen im Lokal der bf Gesellschaft unter dem Blickwinkel der Z 2, so fehlt es an einem Verdacht, dass sich im Lokal mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereigneten. Zwar soll nach dieser Bestimmung der dringende Verdacht genügen, dass sich am Aufenthaltsort der betreffenden Person abstrakt solche Straftaten ereignen, doch ist der konkrete Verdacht auf die Begehung mit beträchtlicher Strafe bedrohter Handlungen für eine Identitätsfeststellung nach § 35 Abs 1 Z 2 SPG nicht entbehrlich.

 

Fehlen nach dem Vorgesagten die in § 35 SPG geforderten Voraussetzungen für eine Ausweiskontrolle bei den Lokalgästen, verletzt die Missachtung dieser Bestimmung unmittelbar nur die betroffenen Lokalgäste in ihren Rechten. Die Durchführung dieser Ausweiskontrollen - ohne dass hiefür die Voraussetzungen des § 338 GewO und des § 35 SPG vorlagen - verletzt jedoch mittelbar die bf Gesellschaft in ihren Rechten nach § 338 GewO und belastet diese Maßnahme mit Rechtswidrigkeit, weil damit das Gebot der möglichsten Schonung des Gewerbetreibenden missachtet wurde.

 

Zur Hinzuziehung eines privaten Kamerateams und zum Filmen im Lokal:

 

Die dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnende Beiziehung des Filmteams und das Filmen im Lokal erfolgte zu dem Zweck, die Öffentlichkeit über das Tätigwerden der Behörden und über die Behebung der in den Medien dargestellten Missstände zu informieren.

 

Der Berechtigung der Behörde zur Überprüfung eines Betriebes iSd § 338 Abs 1 GewO steht eine Duldungspflicht des Betriebsinhabers nach Abs 2 gegenüber, der den zur Vollziehung der gewerbebehördlichen Vorschriften zuständigen Behörden, den von diesen herangezogenen Sachverständigen und gegebenenfalls den im Rahmen des § 336 leg cit mitwirkenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes das Betreten und die Besichtigung des Betriebes und der Lagerräume zu ermöglichen hat. Die dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnende Beiziehung des Filmteams eines privaten Fernsehsenders und dessen Tätigwerden, das der Information der Öffentlichkeit dienen sollte, findet demnach in § 338 GewO keine Deckung und verletzte insofern die bf Gesellschaft in ihren Rechten.

 

Die Ausweiskontrollen durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien und die Beiziehung sowie das Vorgehen des privaten Filmteams waren daher gem § 42 Abs 4 VwGG iVm § 67c Abs 3 AVG für rechtswidrig zu erklären.