12.06.2013 Arbeitsrecht

VwGH: Anweisung, Weiterbildung in der Freizeit zu absolvieren – Anspruch auf Abgeltung von Mehrdienstleistung?

Die weisungsförmig ausgesprochene Verpflichtung zur Absolvierung einer - diesfalls einer "Dienstverrichtung" gleichzuhaltenden - Weiterbildungsmaßnahme außerhalb der dienstplanmäßigen Dienstzeit stellt von ihrem materiellen Gehalt her die Anordnung einer Mehrdienstleistung im Verständnis des § 49 Abs 1 BDG dar


Schlagworte: Beamtendienstrecht, Ausbildung und Fortbildung, Überstundenanordnung, Freizeit, Abgeltung von Mehrdienstleistung
Gesetze:

§ 58 BDG, § 48 BDG, § 49 BDG

GZ 2012/12/0143, 15.05.2013

 

VwGH: In den Erläuterungen zu § 58 BDG in der Stammfassung RV 11 BlgNR XV. GP, 90, heißt es:

 

"Durch § 58 des vorliegenden Entwurfes soll für den Beamten die Dienstpflicht statuiert werden, an einer Lehrveranstaltung teilzunehmen wenn dies im dienstlichen Interesse erforderlich ist. Dies wird zB im Anschluss an umfassende Neukodifikationen von Rechtskomplexen erforderlich sein, wenn hiedurch der Aufgabenbereich eines Beamten einschneidend berührt wird.

 

Die Lehrveranstaltungen werden grundsätzlich während der Normaldienstzeit stattfinden."

 

Unstrittig ist, dass die hier vom Bf absolvierten Maßnahmen der Weiterbildung außerhalb des in § 48 Abs 1 BDG umschriebenen Zeitraumes lagen. Eine Abgeltung dieser Zeiten kam daher nur dann in Betracht, wenn es sich um Mehrdienstleistungen handelte, die der Bf auf Anordnung oder in einer einer Anordnung gleichzuhaltenden Situation erbracht hatte. Umgekehrt wäre im Fall einer Anordnung von Mehrdienstleistungen die Frage, ob deren Erbringung im dienstlichen Interesse lag, ohne Bedeutung.

 

In diesem Zusammenhang geht der VwGH zunächst davon aus, dass eine einem Beamten als Dienstpflicht (etwa auf Grund einer diesbezüglichen weisungsförmigen Anordnung) auferlegte Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme als eine besondere Form der Dienstversehung, auch im Verständnis des § 49 Abs 1 BDG, anzusehen ist. Die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu § 58 BDG stehen dem nicht entgegen, wird dort doch keinesfalls zum Ausdruck gebracht, dass (ausnahmsweise) außerhalb der Normaldienstzeit angeordnete Fortbildungsmaßnahmen der Inanspruchnahme von "Freizeit" gleichzuhalten wären. Vielmehr spricht die in diesen Materialien angesprochene grundsätzliche Vorgangsweise für die Sichtweise, wonach eine dem Beamten zur Dienstpflicht gemachte (obligatorische) Fortbildung einer Dienstverrichtung gleichzuhalten ist, wobei (aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwaltung) zur Vermeidung des Entstehens von Mehrdienstleistungen der Absolvierung solcher Fortbildungen in der Normaldienstzeit der Vorzug zu geben ist.

 

Wie der Bf zutreffend ausführt, ergibt sich die Anordnung der Absolvierung der in Rede stehenden Fortbildungsmaßnahme aus dem von ihm vorgelegten Schreiben vom 4. Juni 2009:

 

Zwar ist dieses Schreiben mit "Aktuelle Kurz-Information" getitelt, aus den Ausführungen unter der Überschrift "Zur Weiterbildung" kommt aber doch mit hinreichender Deutlichkeit der Wille zum Ausdruck, wonach diese für Beamte dienstrechtlich verpflichtend sein soll, wird dort doch von einer "verpflichtenden Weiterbildung" bzw von einer "Weiterbildungsverpflichtung" gesprochen, welcher die betroffenen Beamten bis spätestens 10. September 2013 nachkommen "müssen".

 

Diese Ausführungen beschränkten sich nicht bloß auf eine Information über die kraftfahrlinienrechtliche Rechtslage. Dies folgt daraus, dass die unter der Überschrift "Zur Weiterbildung" umschriebene "Verpflichtung" nicht - wie etwa die Ausführungen unter der Überschrift "Das Wichtigste auf einen Blick" - bloß eine Information über die Konsequenz, dass der Beamte in Ermangelung des Nachweises der Weiterbildung nicht im gewerblichen Personenverkehr tätig sein dürfe, bezweckt. Vielmehr soll damit offenkundig eine Verpflichtung des Beamten zur Weiterbildung gegenüber dem Dienstgeber auferlegt werden. Schließlich wäre es letzterem auch nur schwer zusinnbar, dass er es mit dem genannten Informationsschreiben den Buslenkern völlig freistellen wollte, die Weiterbildungsmaßnahme zu absolvieren oder (mit der dann vom Dienstgeber zu tragenden Konsequenz ihrer Nichteinsetzbarkeit auf ihrem Arbeitsplatz) auch nicht. Ebenso wenig enthält das Schreiben einen Hinweis darauf, dass die konkrete Ausbildungseinrichtung oder der konkrete Zeitpunkt der Absolvierung der Weiterbildungsmaßnahmen einer weiteren individuellen Anordnung an den Beamten vorbehalten bleiben sollte. Das Schreiben erweckt vielmehr den Eindruck, dass die Initiative zum Besuch dieser Veranstaltungen vom Beamten selbst zu ergreifen ist. Vor diesem Hintergrund erschiene es aber auch unsachlich, wollte man Beamte, die ihre Fortbildung auf eigene Initiative (sei es durch Anmeldung in den Weiterbildungseinrichtungen der Zuweisungsgesellschaft, sei es in anderen Weiterbildungseinrichtungen) organisiert haben, schlechter behandeln als jene, die in Ermangelung einer individuellen Anordnung in Untätigkeit verharren.

 

Der Qualifikation des genannten Schreibens als Überstundenanordnung steht (somit) auch der Umstand nicht entgegen, dass es nicht individuell an einen bestimmten Beamten gerichtet ist, sondern alle "BuslenkerInnen", die ihren Führerschein vor dem 10. September 2008 gemacht haben, betrifft.

 

Zwar weist die belBeh darauf hin, dass der konkrete Zeitraum, in welchem die betroffenen Beamten ihrer dienstlichen Verpflichtung zur Absolvierung der Weiterbildung nachzukommen haben, im zitierten Schreiben nicht festgelegt wurde. Zum Ausdruck gebracht wurde lediglich, dass die Weiterbildung am 10. September 2013 beendet sein müsse. Auch dieser Umstand hindert aber nicht seine Qualifikation als Überstundenanordnung, zumal das zeitliche Ausmaß der zu erbringenden Dienstleistung ohnedies festgelegt wurde und es einer "Anordnung" auch nicht entgegen steht, dass es dem Beamten freigestellt wurde, in welchem konkreten, innerhalb einer bestimmten Rahmenzeit liegenden Zeitraum er die in Rede stehende Dienstleistung aus eigener Initiative erbringen möchte. Entsprechendes gilt auch für die Überlassung der Auswahl der Weiterbildungseinrichtung an den Beamten.

 

Auch die belBeh räumt im angefochtenen Bescheid ein, dass im Zeitpunkt der Absolvierung der Weiterbildungsmaßnahme die (spätere) Inanspruchnahme der Möglichkeit einer Ruhestandsversetzung durch Erklärung durch den Bf noch nicht feststand. Dass aber die in der Information vom 4. Juni 2009 generell umschriebene Verpflichtung zur Weiterbildung für bestimmte (Alters-)Gruppen von Beamten (vorerst) noch nicht Platz greifen sollte, ist dem Schreiben gleichfalls nicht zu entnehmen.

 

Zusammengefasst ergibt die Auslegung des in Rede stehenden Schreibens, dass damit auch dem Bf die dienstliche Verpflichtung überbunden wurde, die Weiterbildungsmaßnahmen bis spätestens 10. September 2013 zu absolvieren, wobei ihm die nähere Wahl des Zeitraumes bzw der Ausbildungsstätte für seine Weiterbildung mit der Maßgabe freigestellt war, dass die Fortbildung nicht innerhalb der dienstplanmäßigen Dienstzeit zu erfolgen hatte.

 

Die weisungsförmig ausgesprochene Verpflichtung zur Absolvierung einer - diesfalls einer "Dienstverrichtung" gleichzuhaltenden - Weiterbildungsmaßnahme außerhalb der dienstplanmäßigen Dienstzeit stellt aber von ihrem materiellen Gehalt her die Anordnung einer Mehrdienstleistung im Verständnis des § 49 Abs 1 BDG dar. Dieser Qualifikation steht auch die im Schreiben vom 5. März 2010 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, wonach der Besuch dieser Veranstaltung "in der Freizeit" zu erfolgen habe und damit nicht als Arbeitszeit gelte, nicht entgegen. Für die Wirksamkeit einer in Weisungsform ergangenen dienstrechtlichen Anordnung eines Vorgesetzten kommt es nämlich nicht darauf an, dass dieser über die Rechtsnatur oder die Rechtsfolgen der von ihm getätigten Anordnung allenfalls geirrt hat (vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere auch das Erkenntnis vom 20. Mai 2008, 2007/12/0109, wo der VwGH etwa ausführte, dass ein Irrtum eines Organwalters über die Rechtsnatur der Zuweisung von Aufgaben an einen Beamten als Betrauung im Verständnis des § 59 Abs 1 GehG für die Wirksamkeit als Betrauung bedeutungslos ist).

 

Diese Sichtweise wird auch durch das Gebot einer gesetzeskonformen Auslegung von Weisungen gestützt. Die Anordnung einer als "Dienstversehung" zu qualifizierenden Tätigkeit unter gleichzeitigem Ausschluss ihrer Qualifikation als "Arbeitsleistung" würde nämlich einen mit "Willkür" behafteten Mangel einer solchen Weisung darstellen, welcher zu ihrer Unwirksamkeit führen würde. Im Zweifel ist aber eine Weisung so auszulegen, dass sie nicht als unwirksam ins Leere geht.