19.06.2013 Wirtschaftsrecht

VwGH: BVergG 2006 – Begründungstiefe der Zuschlagsentscheidung bei nicht prioritären Dienstleistungen

Die erforderliche Begründungstiefe bei Zuschlagsentscheidungen ergibt sich aus dem unionsrechtlichen Gebot des effektiven Rechtsschutzes; dieses unterscheidet nicht zwischen prioritären und nicht prioritären Dienstleistungen; daher sind die Anforderungen an die Begründungstiefe gleich


Schlagworte: Vergaberecht, Zuschlagsentscheidung, Begründung, Begründungstiefe, nicht prioritäre Dienstleistung
Gesetze:

§ 131 BVergG 2006, § 141 BVergG 2006

GZ 2011/04/0173, 09.04.2013

 

Die verfahrensgegenständliche Zuschlagsentscheidung für eine nicht prioritäre Dienstleistung war auszugsweise wie folgt begründet: Das Angebot des Bestbieters beläuft sich auf EUR 398.000,00. Folgende Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots sind festzuhalten: Das Unterkriterium Didaktik wurde wie das Unterkriterium Methodik hoch bewertet, die übrigen Bewertungskriterien sehr hoch bzw mit dem Punktemaximum. Dazu kommt der geringe Angebotspreis.

Das Angebot (der mitbeteiligten Partei) wurde beim Unterkriterium Didaktik mit einem hohen Wert, im Übrigen ebenfalls sehr hoch bzw mit dem Punktemaximum bewertet. Dazu kommt der höhere Angebotspreis. Insgesamt sind dies auch die Gründe für die Nichtberücksichtigung (wegen Reihung) des Angebots (der mitbeteiligten Partei).

 

VwGH: Der EuGH hat bereits wiederholt erkannt, dass auch der öffentliche Auftraggeber, der eine nicht prioritäre Dienstleistung vergibt, ungeachtet der eingeschränkten Verpflichtungen nach der Vergaberichtlinie den fundamentalen Regeln des Unionsrechts unterworfen bleibt, insbesondere den Verpflichtungen, die die Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Bieter sicherstellen sollen. Er hat weiters ausgesprochen, dass das Transparenzgebot dazu verpflichtet, einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen, der den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind, und er hat schließlich auch erkannt, dass der Grundsatz des effektiven (gerichtlichen) Rechtsschutzes zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört.

 

Der unionsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz ist jedenfalls was die Begründungspflicht der Zuschlagsentscheidung betrifft, auch bei der Vergabe nicht prioritärer Dienstleistungen einzuhalten und er setzt voraus, dass den betroffenen Bietern die Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nicht nur bekannt gegeben wird, sondern dass sie anhand ihrer Begründung auch in die Lage versetzt werden, rechtzeitig eine wirksame Nachprüfung dieser Entscheidung in die Wege zu leiten. Die Ansicht der Beschwerde, dieses Ziel könne auch anders als durch Übermittlung einer begründeten Zuschlagsentscheidung an den betroffenen Bieter erzielt werden, vermag der VwGH nicht zu teilen, weil der nicht zum Zuge gekommene Bieter idR nur durch Übermittlung einer begründeten Zuschlagsentscheidung zu Beginn der Frist für einen Nachprüfungsantrag (§ 312 Abs 1 BVergG 2006) und der Stillhaltefrist (§ 141 Abs 5 BVergG 2006) jene Informationen besitzt, die für einen allfälligen Nachprüfungsantrag unerlässlich sind. Anderenfalls hätte er eine unter Umständen erhebliche Verkürzung der Nachprüfungsfristen zu gewärtigen.

 

Der Inhalt und Umfang der Begründung steht unter den Anforderungen des oben dargestellten Zwecks eines effektiven Rechtsschutzes. Da dem betroffenen Bieter eine wirksame Nachprüfung der Entscheidung ermöglicht werden soll, sind ihm die Gründe der Zuschlagsentscheidung jedenfalls soweit bekannt zu geben, als sie unerlässlich sind, um eine wirksame Nachprüfung beantragen zu können. Das erfordert zwar keine umfassende Unterrichtung der betroffenen Bieter über sämtliche Details der für die Zuschlagsentscheidung relevanten Gründe, sondern es reicht eine bloße Zusammenfassung; diese muss jedoch genügen, um das angestrebte Rechtsschutzziel zu erreichen.

 

Aus diesem Grund lässt sich schon unter dem Blickwinkel eines effektiven Rechtsschutzes die von der Bf vertretene Rechtsauffassung, dem unterlegenen Bieter seien nur die Gründe für die Ablehnung seines Angebots, nicht aber die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots bekanntzugeben, nicht aufrecht erhalten. Im Bestbieterverfahren lässt nämlich nur die Gegenüberstellung der Angebote erkennen, aus welchen Gründen die Zuschlagsentscheidung zugunsten des einen und zulasten des anderen Bieters erfolgt ist.