03.07.2013 Verkehrsrecht

VwGH: Parkplatzausfahrt, auf der Begrenzungslinie iSd § 23 Abs 3 iVm § 8 Abs 3 der Bodenmarkierungsverordnung in Form einer unterbrochenen Längsmarkierung angebracht ist – Vorrang iSd § 19 StVO?

Die im § 22 Z 1 der Bodenmarkierungsverordnung erwähnten Zu- und Abfahrtswege von Parkplätzen sind jenen in § 19 Abs 6 StVO aufgezählten untergeordneten Verkehrsflächen gleichzuhalten, auf denen die Straßenbenützer den Vorrang des fließenden Verkehrs zu beachten haben; daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass an dieser Stelle keine weiteren Verkehrszeichen aufgestellt waren


Schlagworte: Straßenverkehrsrecht, Bodenmarkierungen, Vorrang, Parkplatzausfahrt
Gesetze:

§ 19 StVO, § 55 StVO, § 22 Bodenmarkierungsverordnung, § 23 Bodenmarkierungsverordnung

GZ 2010/02/0073, 24.05.2013

 

In der Beschwerde wird ausgeführt, die Anwendung der sog "Rechtsregel" setze die Gleichrangigkeit von Straßen voraus. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 19 Abs 6 StVO (allenfalls auch § 19 Abs 6b StVO) habe jedoch am angegebenen Ort zur angegebenen Zeit insoweit eine Ausnahme von der von der belBeh angewendeten Gesetzesbestimmung ("Rechtsregel") bestanden, als das unfallgegnerische Fahrzeug, das zwar am angegebenen Ort "von rechts" gekommen sei, aus einer durch Bodenmarkierungen genau gekennzeichneten Parkplatzzone die vom Bf frequentierte Durchzugsstraße, die parallel zum sog "Westring" verlaufe, gekreuzt habe und daher benachrangt gewesen sei. Der Bf habe sich zum angegebenen Zeitpunkt auf dieser Durchzugsstraße parallel zum sog "Westring" im fließenden Verkehr befunden. Die Unterordnung des Parkplatzbereiches sei am angegebenen Ort in einer für die Verkehrsteilnehmer klar und eindeutig erkennbaren Weise zum Ausdruck gekommen, weil die Verkehrsflächen entsprechend unterschiedlich ausgestaltet und die Unterordnung des Parkplatzbereiches gegenüber der vom Bf frequentierten Durchzugsstraße durch Bodenmarkierungen objektiv für die Verkehrsteilnehmer erkennbar gewesen sei.

 

Auch seien die einzelnen "Parkplatzausfahrten" zu der vom Bf frequentierten Durchzugsstraße, anders als etwa bei gleichrangigen Kreuzungen durch die dafür gesetzlich vorgesehene Bodenmarkierung (Begrenzungslinie für Ausfahrten bzw Einmündungen gem § 55 Abs 3 StVO) gekennzeichnet. Für jeden Benützer der Durchzugsstraße und der Parkplätze sei durch die angebrachten, gesetzlich geregelten Bodenmarkierungen eindeutig und objektiv erkennbar, dass die jeweiligen "Parkplatzausfahrten" iSd § 19 Abs 6 StVO benachrangt seien und die Lenker, die aus dem jeweiligen Parkplatzbereich die Durchzugsstraße kreuzten, vor dem Überfahren der die Parkplatzausfahrt gegenüber der die Durchzugsstraße abgrenzenden unterbrochenen Bodenmarkierung (Begrenzungslinie gem § 55 Abs 3 StVO) den bevorrangten fließenden Verkehr zu beachten hätten.

 

Durch die gesetzlich genau geregelte Bedeutung der am Unfallort klar erkennbar vorhandenen Bodenmarkierungen, wie insbesondere der bei den Parkplatzausfahrten gem § 55 Abs 3 StVO angebrachten unterbrochenen Begrenzungslinien als "Abgrenzung der Fahrbahn von Ausfahrten und Einmündungen" müssten die Verkehrsteilnehmer ohne jeden Zweifel darauf vertrauen können, dass hiedurch eine klare und eindeutige Abgrenzung zwischen der für den fließenden Verkehr vorgesehenen Durchzugsstraße und der untergeordneten Verkehrsfläche (den Parkplätzen) bestehe.

 

Die auf dem Gelände vor dem Einkaufszentrum befindliche Durchzugsstraße durchquere das gesamte Parkplatzareal als zweispurige relativ breite Straße mit Mittelleitlinie, mit hohem Verkehrsaufkommen und "fließendem Verkehr". Von dieser Durchzugsstraße führten auf beiden Seiten an einzelnen Stellen jeweils schmale Einfahrten zu diversen Parkplätzen und es seien diese Parkplätze durch Bodenmarkierungen iSd § 55 Abs 3 StVO und Randlinien iSd § 22 Z 1 der Bodenmarkierungsverordnung, BGBl Nr 848/1995 idF der Novelle BGBI II Nr 370/2002, gekennzeichnet.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belBeh erkennen müssen, dass sich der Bf am Unfallort mit seinem Fahrzeug im fließenden Verkehr iSd § 19 Abs 6 StVO, in eventu gem § 19 Abs 6b StVO, gegenüber dem Unfallsgegner im Vorrang befunden habe und der Unfallsgegner, der mit seinem PKW aus der Parkplatzausfahrt gefahren sei, den Vorrang der auf der vom Bf benützten Durchzugsstraße fahrenden Fahrzeuge, sohin auch den Vorrang des Bf, zu beachten gehabt hätte. Der Gesetzgeber habe insbesondere auch durch die Bestimmung des § 19 Abs 6b StVO zu erkennen gegeben, dass sogar Fahrzeuge, die nur auf Nebenfahrbahnen fahren würden, den Vorrang gegenüber jenen Fahrzeugen hätten, die etwa aus Parkplatzausfahrten fahren würden. Im Übrigen habe sich der Bf am angegebenen Ort auf einer Hauptfahrbahn iSd § 2 Abs 1 Z 3 StVO befunden, die zwei durch eine Mittelleitlinie getrennte Fahrbahnen aufweise und für den Durchzugsverkehr durch das gesamte Gelände vor dem Einkaufszentrum bestimmt und durch entsprechende Bodenmarkierungen als solche objektiv für die Verkehrsteilnehmer erkennbar gekennzeichnet sei.

 

VwGH: Gem § 55 Abs 3 StVO sind Längs- oder Quermarkierungen, die dazu dienen, den Verkehr zu leiten oder zu ordnen (Leit- oder Ordnungslinien) und Längsmarkierungen, die dazu dienen, die Fahrbahn von anderen Verkehrsflächen, wie Einmündungen, Ausfahrten u dgl, abzugrenzen (Begrenzungslinien), als unterbrochene Linien auszuführen.

 

Gem § 23 Abs 3 der Bodenmarkierungsverordnung sind die Abgrenzungen von Parkflächen zu allein für den Fließverkehr bestimmten Fahrbahnteilen, wenn es die Verkehrsverhältnisse oder die örtlichen Gegebenheiten erfordern, in Bereichen, in denen die Zufahrt erlaubt sein soll, durch Begrenzungslinien (§ 8 Abs 3) zu kennzeichnen. Dabei kann zur Erzielung eines gleichmäßigen Markierungsbildes von den in § 8 Abs 3 vorgegebenen Maßen für die Länge von Strich und Unterbrechung der Begrenzungslinie im notwendigen Ausmaß abgewichen werden.

 

Nach § 8 Abs 3 der Bodenmarkierungsverordnung sind Begrenzungslinien unterbrochene Längsmarkierungen in weißer Farbe, die die Fahrbahn oder den allein für den fließenden Verkehr bestimmten Teil der Fahrbahn von anderen Verkehrsflächen abgrenzen. Sie müssen eine Breite von mindestens 10 cm, auf Autobahnen und Autostraßen mit baulich getrennten Richtungsfahrbahnen eine Breite von mindestens 15 cm haben. Auf Autobahnen und Autostraßen hat die Länge des Striches 4 m sowie die Länge der Unterbrechung 2 m zu betragen. Auf den übrigen Straßen hat die Länge des Striches 2 m sowie die Länge der Unterbrechung 1 m zu betragen.

 

Wie aus den den Verwaltungsakten beiliegenden Fotos vom Tatort unschwer zu erkennen ist, fuhr der Unfallgegner des Bf auf einem Zu- und Abfahrtsweg zu/von Parkplätzen iSd § 22 Z 1 der Bodenmarkierungsverordnung. Bei der Einmündung dieses Zu- und Abfahrtsweges von den Parkplätzen in die Fahrbahn der parallel zum Westring verlaufenden Straße, auf der sich der Bf zum Tatzeitpunkt befand, wurde eine Begrenzungslinie iSd § 23 Abs 3 iVm § 8 Abs 3 der Bodenmarkierungsverordnung in Form einer unterbrochenen Längsmarkierung angebracht. Aus der auch in der Beschwerde näher dargelegten Bodenmarkierung für jene Fahrbahn, auf der sich der Bf mit seinem Fahrzeug befand, ist deutlich zu ersehen, dass dieser Fahrbahnteil allein für den Fließverkehr bestimmt ist.

 

Zweck der Begrenzungslinien ist, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 55 Abs 3 StVO ergibt, die Fahrbahn von anderen Verkehrsflächen, "wie Einmündungen, Ausfahrt u dgl" abzugrenzen. In Bezug auf diese anderen Verkehrsflächen findet sich in dieser Bestimmung keine abschließende Aufzählung. Die in § 22 Z 1 der Bodenmarkierungsverordnung erwähnten Zu- und Abfahrtswege von Parkplätzen können schon aufgrund ihrer Funktion derartigen "anderen Verkehrsflächen" zugeordnet werden.

 

Gem § 19 Abs 6 StVO haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl kommen.

 

Der Gesetzgeber führt in § 19 Abs 6 StVO nur beispielhaft jene Verkehrsflächen an (arg.: "…oder dgl …"), von denen kommend Fahrzeuge gegenüber jenen, die sich im fließenden Verkehr befinden, Nachrang haben. Die im § 22 Z 1 der Bodenmarkierungsverordnung erwähnten Zu- und Abfahrtswege von Parkplätzen sind jenen in § 19 Abs 6 StVO aufgezählten untergeordneten Verkehrsflächen gleichzuhalten, auf denen die Straßenbenützer den Vorrang des fließenden Verkehrs zu beachten haben. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass - wie von der belBeh zutreffend festgestellt wurde - an dieser Stelle keine weiteren Verkehrszeichen aufgestellt waren.

 

Da der Bf aus den dargelegten Gründen die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.