18.09.2013 Baurecht

VwGH: Mieterkündigung wegen Neubaus – zum Interessenbescheid gem § 30 Abs 2 Z 15 MRG

Der VwGH hat iZm den Kriterien des quantitativen Wohnungsbedarfes bzw qualitativen Wohnfehlbestandes ausgesprochen, dass der projektierte Neubau oder Umbau jedenfalls nach Art und Umfang geeignet sein muss, Wohnraum zu schaffen, der der Minderung der in einem bestimmten Ort bestehenden Wohnungsnot dient und es solcherart rechtfertigt, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte einzelner aufzuheben; die Kriterien des im Ortsgebiet gegebenen quantitativen Wohnungsbedarfes bzw qualitativen Wohnfehlbestandes sind iSd § 4 BodenbeschaffungsG auszulegen


Schlagworte: Mietrecht, Kündigung, wichtiger Grund, Neubau, quantitativer Wohnungsbedarf, qualitativer Wohnfehlbestand
Gesetze:

§ 30 MRG

GZ 2012/06/0135, 16.05.2013

 

In der Beschwerde wird ausgeführt, die belBeh lege das Wort "restriktiv" iZm ihren Ausführungen zur Auslegung der Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 15 MRG anders aus, als dies der VwGH gemeint habe. "Restriktiv" iSd höchstgerichtlichen Judikatur meine unzweifelhaft eine einschränkende, einengende Auslegung der Bestimmung zu Lasten des Bauwerbers, nicht jedoch im Hinblick auf die Rechte des Mieters. Eine grundsätzliche Voraussetzung sei, dass mit dem Abbruch die Errichtung eines neuen Baues sichergestellt sei. Der Zweck dieses neuen Baues sei die Grundlage für die Beurteilung, ob ein öffentliches Interesse vorliege oder nicht. Im Beschwerdefall liege jedoch nur eine rechtlich völlig unverbindliche und va unbestimmte Absichtserklärung der mitbeteiligten Partei vor, auf die Vorlage von Plänen sei völlig verzichtet worden.

 

Es sei zwar richtig, dass nicht zu prüfen sei, ob die Errichtung eines entsprechenden Neubaus sowohl in baurechtlicher als auch in finanzieller Hinsicht sichergestellt sei, und es sei auch die Vorlage eines Detailprojektes mit näheren Plänen zu dem Zeitpunkt nicht erforderlich. Die mitbeteiligte Partei sei aber ein Bauunternehmen, von der auch ohne größere finanzielle Mühen zu erwarten sei, zumindest Pläne vorzulegen, um das Projekt ausreichend zu determinieren. Nach der derzeitigen Lage könnte die mitbeteiligte Partei jederzeit ihre Ansicht ändern und etwas errichten, was nicht mit den Überlegungen der belBeh im Hinblick auf die Prüfung des öffentlichen Interesses übereinstimme. Durch den völligen Verzicht auf die Pläne sei es der bf Partei nicht möglich, in einem nachfolgenden Kündigungsstreit eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, dass das dann tatsächlich konkret vorliegende Projekt mit den Überlegungen der belBeh im Hinblick auf das Vorliegen des öffentlichen Interesses übereinstimme.

 

Der Mieter habe ein Recht auf Abwägung seiner schutzwürdigen Interessen gegen ein allfälliges öffentliches Interesse; die lapidare Feststellung, dass ein Neubau im öffentlichen Interesse liege, weil es immer gut sei, wenn die Stadt verbaut werde, werde diesen Ansprüchen jedoch nicht gerecht. Es könnten durchaus auch Luxuswohnungen entstehen, wobei es aber nicht Sinn oder Inhalt des § 30 MRG sei, "die Rechte des Mieters dagegen zu opfern".

 

VwGH: Nach der Rsp des VwGH reicht es aus, dass das Projekt im Verwaltungsverfahren so ausreichend determiniert ist, dass auf Grund dessen die nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG vorzunehmende Beurteilung möglich ist; die Vorlage eines ausgearbeiteten Detailprojektes mit näheren Plänen ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht erforderlich. Im gerichtlichen Kündigungsverfahren ist dann erforderlichenfalls zu prüfen, ob das dem Kündigungsstreit zugrundeliegende, bewilligte Vorhaben dem entspricht, welches dem Verfahren zur Erlassung des Interessenbescheides zu Grunde lag.

 

Die mitbeteiligte Partei hat ihr Vorhaben im Antrag vom 4. August 2011 so beschrieben, dass bei Neubebauung der ihr gehörenden Grundstücke eine oberirdische Nettonutzfläche von ca 1050 m2 zuzüglich Tiefgarage entstünde, wobei neben erdgeschossigen Geschäftsflächen überwiegend die Schaffung zeitgemäßen, hochwertigen Wohnraumes geplant sei. Gleichzeitig verwies sie auf die Festlegungen im Bebauungsplan für dieses Gebiet, die in der ausgewiesenen Flächenwidmung Kerngebiet bei geschlossener Bauweise eine drei- und teilweise viergeschossige Bebauung zuzüglich der Möglichkeit eines Dachgeschossausbaus bzw der Errichtung eines zurückgesetzten Dachgeschosses ermöglichten.

 

Aus diesem Vorbringen wird hinreichend deutlich, dass die mitbeteiligte Partei die Neubebauung der Grundstücksflächen in Ausnützung der Festlegungen im Bebauungsplan beabsichtigt. Es ist der belBeh daher nicht entgegenzutreten, wenn sie das Vorhaben für das Verfahren nach § 30 Abs 2 Z 15 MRG als ausreichend determiniert ansah.

 

Die Aufzählung in § 30 Abs 2 Z 15 MRG, welche Umstände im öffentlichen Interesse liegen, ist demonstrativ. Das dort umschriebene öffentliche Interesse (unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Mieter - hier: der bf Partei) kann sachverhaltsmäßig allenfalls erst durch ein "Zusammenwirken" verschiedener der in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Kriterien gegeben sein. Dabei ist stets zu bedenken, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine auf die Einschränkung bestehender Privatrechte gerichtete und daher im Zweifel restriktiv auszulegende Norm handelt.

 

Eine Interessenabwägung hat nicht nur bei widerstreitenden öffentlichen Interessen stattzufinden, sondern auch gegenüber schutzwürdigen Interessen der durch die Kündigung betroffenen Mieter.

 

Die belBeh begründet das Vorliegen eines öffentlichen Interesses iSd § 30 Abs 2 Z 15 MRG mit der "Vermehrung von Wohn- und Geschäftsflächen" sowie "wirtschaftlichen Überlegungen".

 

Nach dem Wortlaut des in § 30 Abs 2 Z 15 leg cit ist allerdings nicht allein eine Vermehrung von Wohnungen an sich von Gewicht, sondern die "Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind".

 

Der VwGH hat iZm den Kriterien des quantitativen Wohnungsbedarfes bzw qualitativen Wohnfehlbestandes ausgesprochen, dass der projektierte Neubau oder Umbau jedenfalls nach Art und Umfang geeignet sein muss, Wohnraum zu schaffen, der der Minderung der in einem bestimmten Ort bestehenden Wohnungsnot dient und es solcherart rechtfertigt, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte einzelner aufzuheben. Die Kriterien des im Ortsgebiet gegebenen quantitativen Wohnungsbedarfes bzw qualitativen Wohnfehlbestandes sind iSd § 4 BodenbeschaffungsG auszulegen.

 

Die belBeh hat - ausgehend von der unrichtigen Rechtsauffassung, dass eine Vermehrung von Wohnungen allein das Vorliegen eines öffentlichen Interesses iSd § 30 Abs 2 Z 15 MRG begründet - entsprechende Ermittlungen zur Klärung der Frage, ob ein quantitativer Wohnungsbedarf bzw qualitativer Wohnfehlbestand im Ortsgebiet vorliegt, unterlassen und insoweit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

 

Die belBeh sieht den geplanten Neubau auch "aus wirtschaftlichen Überlegungen" im öffentlichen Interesse liegend und begründet dies damit, dass die Stadt durch entsprechende Steuereinnahmen von den Geschäftsflächen profitiere. Dies stellt allerdings kein öffentliches Interesse iSd § 30 Abs 2 Z 15 MRG dar, weil als andere Gründe iS dieser Gesetzesstelle nur Umstände zu verstehen sind, die den unmittelbaren Zweck des beabsichtigten Neu- oder Umbaus betreffen.