30.10.2013 Arbeitsrecht

VwGH: Leitende Angestellte iSd § 1 Abs 2 Z 8 AZG

Es ist nicht Voraussetzung für den leitenden Angestellten, dass dieser strategische Entscheidungen für das gesamte Unternehmen trifft und das Unternehmen nach außen vertritt; Voraussetzung für den leitenden Angestellten ist vielmehr, dass dieser "wesentliche Teilbereiche" eines Betriebes eigenverantwortlich leitet, und - hiedurch - auf den Bestand und die Entwicklung des gesamten Unternehmens "Einfluss nimmt"


Schlagworte: Arbeitnehmerschutzrecht, Arbeitszeitrecht, leitende Angestellte, Abteilungsleiter
Gesetze:

§ 1 AZG, § 28 AZG

GZ 2013/11/0116, 26.09.2013

 

Die Beschwerde wendet sich gegen die Rechtsansicht der belBeh, dass lediglich der als "Sales- und Marketingdirektor" tätige Arbeitnehmer E als leitender Angestellter iSd § 1 Abs 2 Z 8 AZG zu qualifizieren sei. Der Bf vertritt die Auffassung, dass auch die anderen im Straferkenntnis angeführten Arbeitnehmer, soweit diese als Abteilungsleiter im Unternehmen tätig seien, als leitende Angestellte anzusehen seien, sodass deren Arbeitszeiten dem Bf nicht zur Last gelegt werden dürften. Namentlich nennt der Bf den Restaurantleiter, den Küchenchef, die Front-Office-Managerin sowie den Abteilungsleiter für den kompletten Seminarbereich bzw den Bereich des Thermenrestaurants. Auch diese Abteilungsleiter seien eigenverantwortlich für eine Reihe von Arbeitnehmern (der Restaurantleiter etwa für 40 bis 50 Arbeitnehmer), sie hätten für ihren Bereich Budgethoheit und könnten ihre eigenen Arbeitszeiten selbst organisieren. Daher fielen auch diese Arbeitnehmer unter den Begriff "leitende Angestellte iSd § 1 Abs 2 Z 8 AZG, sodass deren Arbeitszeiten keine Übertretungen des AZG darstellen könnten".

 

VwGH: Der VwGH hat im Erkenntnis vom 24. Februar 1998, 97/11/0188, zu seiner stRsp betreffend den leitenden Angestellten wie folgt ausgeführt:

 

"Gem § 1 Abs 2 Z 8 AZG sind leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen. Eine gleichlautende Regelung enthält § 1 Abs 2 Z 5 ARG für dieses Bundesgesetz. Nach stRsp des VwGH sind diese Ausnahmetatbestände erfüllt, wenn ein Arbeitnehmer wesentliche Teilbereiche eines Betriebes in der Weise eigenverantwortlich leitet, dass hiedurch auf Bestand und Entwicklung des gesamten Unternehmens Einfluss genommen wird, sodass er sich aufgrund seiner einflussreichen Position aus der gesamten Angestelltenschaft heraushebt. Der betreffende Arbeitnehmer stellt für diesen wesentlichen Teilbereich des Betriebes gleichsam den Unternehmensführer dar, der befugt ist, allen ihm in diesem Teilbereich unterstellten Arbeitnehmern Weisungen betreffend Inhalt und Organisation ihrer Tätigkeit zu erteilen. 'Eigenverantwortlich' bedeutet allerdings nicht, dass der betreffende Arbeitnehmer in diesem Bereich völlig weisungsfrei ist. Auch der leitende Angestellte ist Arbeitnehmer und daher Weisungen ausgesetzt. Die Eigenverantwortlichkeit ist daher an einem relativen Maßstab zu messen. Dem leitenden Angestellten muss ein erheblich größerer Entscheidungsspielraum eingeräumt sein als anderen Arbeitnehmern. Maßgebliche Führungsaufgaben iSd eingangs zitierten Gesetzesstellen liegen nicht nur dann vor, wenn dem Angestellten Vorgesetztenfunktion zukommt, sondern auch, wenn ihm Entscheidungen auf kaufmännischem oder technischem Gebiet obliegen. Entscheidungsbefugnis über Aufnahme, Kündigung und Entlassung von anderen Arbeitnehmern ist demnach nicht erforderlich. Eine Rolle bei der Beurteilung der Stellung des Angestellten spielt auch, in welchem Umfang er bei der Einteilung seiner eigenen Arbeitszeit gebunden ist und in welchem Umfang er diesbezüglich Kontrollen unterliegt. Eine starke Bindung in diesem Bereich spricht gegen seine Stellung als leitender Angestellter. In Zweifelsfällen kann auch die Höhe des Entgelts Indizfunktion haben."

 

Da der gesetzliche Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 8 AZG seither unverändert geblieben ist, besteht gegenständlich kein Anlass, von dieser Rsp abzugehen.

 

Im vorliegenden Beschwerdefall ist strittig, ob die in der Beschwerde (und bereits zuvor in der Berufung) genannten Abteilungsleiter des vom Bf vertretenen Unternehmens als leitende Angestellte iSd § 1 Abs 2 Z 8 AZG anzusehen sind. Träfe dies zu, so unterlägen die Arbeitszeiten dieser Arbeitnehmer nicht den Beschränkungen des AZG.

 

Als Begründung, weshalb die Abteilungsleiter des vom Bf vertretenen Unternehmens (abgesehen vom Abteilungsleiters E) keine leitenden Angestellten seien, führt die belBeh lediglich an, diesen komme kein Einfluss auf die Entwicklung des gesamten Unternehmens zu, ohne dies näher zu begründen. Jedoch sind aus der Begründung, weshalb der Abteilungsleiter E (als einziger Abteilungsleiter des Unternehmens) sehr wohl als leitender Angestellter eingestuft wurde (nämlich weil er sich "von den übrigen Abteilungsleitern abhebt", das ganze Unternehmen gleichsam nach außen vertritt und strategische Entscheidungen für das gesamte Unternehmen trifft) die für die belBeh entscheidenden Kriterien ersichtlich.

 

Mit dieser Begründung vermag die belBeh nicht darzutun, dass die übrigen Abteilungsleiter nicht leitende Angestellte iSd § 1 Abs 2 Z 8 AZG seien:

 

Anders als die belBeh offensichtlich meint, ist es nicht Voraussetzung für den leitenden Angestellten, dass dieser strategische Entscheidungen für das gesamte Unternehmen trifft und das Unternehmen nach außen vertritt. Voraussetzung für den leitenden Angestellten ist nach der dargestellten Judikatur vielmehr, dass dieser "wesentliche Teilbereiche" eines Betriebes eigenverantwortlich leitet, und - hiedurch - auf den Bestand und die Entwicklung des gesamten Unternehmens "Einfluss nimmt". Als solche den Abteilungsleitern unterstehende Bereiche nennt die belBeh fallbezogen selbst das Restaurant, den Küchenbetrieb sowie den Empfang, wobei in einzelnen Abteilungen sogar 40 bis 50 Arbeitnehmer beschäftigt sind, sodass nicht ohne nähere Begründung ausgeschlossen werden kann, dass auch diese Abteilungsleiter Einfluss auf den Bestand und die Entwicklung des gesamten gegenständlichen Thermenbetriebes nehmen.

 

Unzutreffend geht die belBeh offensichtlich auch davon aus, der leitende Angestellte müsse sich aus dem Kreis der "übrigen Abteilungsleiter" herausheben, führt sie doch dieses Kriterium dafür an, dass gerade (und nur) der Abteilungsleiter E, nicht aber die anderen Abteilungsleiter, als leitende Angestellte anzusehen seien. Demgegenüber kommt es, wie gesagt, für den leitenden Angestellten darauf an, dass sich dieser aufgrund seiner einflussreichen Position aus der "gesamten Angestelltenschaft" heraushebt. Davon ausgehend hätte sich die belBeh in ihrer rechtlichen Beurteilung damit auseinander setzen müssen, weshalb sie den in Rede stehenden Abteilungsleitern die Stellung als leitende Angestellte abspricht, wo sie doch selbst festgestellt hat, dass diese Abteilungsleiter jeweils über ein entsprechendes Budget verfügen, die Diensteinteilung ihrer Mitarbeiter vorzunehmen haben und sogar über deren Aufnahme entscheiden.

 

Nicht zuletzt spricht auch das nach der Judikatur zu berücksichtigende Kriterium, in welchem Umfang der betreffende Arbeitnehmer bei der Einteilung seiner eigenen Arbeitszeit an Vorgaben gebunden ist, bei den in Rede stehenden Abteilungsleitern für deren Qualifikation als "leitende Angestellte" iSd § 1 Abs 2 Z 8 AZG. Dem angefochtenen Bescheid liegt nämlich unwidersprochen zu Grunde, dass den in Rede stehenden Abteilungsleitern des vom Bf vertretenen Unternehmens die Einteilung ihrer eigenen Arbeitszeit selbst überlassen ist. Gleiches gilt für die (nach der Judikatur als Indiz ebenfalls zu berücksichtigende) Höhe des Entgelts, hat doch der Bf im Verfahren vorgebracht, dass die Abteilungsleiter ein (gegenüber den anderen Arbeitnehmern) überdurchschnittlich hohes Gehalt beziehen und sich auch insoweit aus der Angestelltenschaft herausheben.

 

Soweit dem Bf daher Übertretungen des AZG hinsichtlich solcher Arbeitnehmer angelastet wurden, die Abteilungsleiter sind, war der angefochtene Bescheid gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.