20.11.2013 Wirtschaftsrecht

VwGH: BVergG 2006 – Zuschlagsentscheidung und Nachreichung von Bewertungsergebnissen

Die Zuschlagsentscheidung muss zwar grundsätzlich die Ergebnisse der Angebotsbewertung enthalten; eine Nachreichung der Bewertungsergebnisse ist jedoch zulässig, wenn dadurch die Nachprüfungsfrist nicht erheblich verkürzt wird; außerdem kann die Auslegung von Ausschreibungsunterlagen die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordern


Schlagworte: Vergaberecht, Begründung der Zuschlagsentscheidung, Bewertungskriterien, Nachprüfungsantrag, erhebliche Verkürzung der Nachprüfungsfrist, Ausschreibungsbestimmungen, objektiver Erklärungswert, Sachverständiger, Beiziehung eines Sachverständigen
Gesetze:

§ 131 BVergG 2006, § 321 BVergG 2006, § 325 Abs 1 Z 2 BVergG 2006, § 52 AVG

GZ 2010/04/0066, 12.09.2013

VwGH: Die Bf hat zwei Tage nach Mitteilung der Zuschlagsentscheidung von der Auftraggeberin die Bewertungsunterlagen, nämlich das detaillierte Bewertungsschema mit einer verbalen Umschreibung der Punktebewertung, übermittelt bekommen. In einer derartigen Konstellation ist aber nicht ersichtlich, dass die nachträgliche (zwei Tage nach der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erfolgte) Bekanntgabe der Gründe für die Nichtberücksichtigung des (eigenen) Angebotes sowie der Merkmale und Vorteile der erfolgreichen Angebote zu einer "erheblichen Verkürzung" der Nachprüfungsfrist geführt bzw die Einbringung eines begründeten Nachprüfungsantrages, für die immer noch zwölf Tage zur Verfügung standen, erschwert oder behindert hat. Die vom VwGH im Erkenntnis Zlen 2009/04/0081, 0085 vertretene Auffassung, dass mit der Unterlassung der Begründung der Zuschlagsentscheidung "in der Regel" die Einbringung eines begründeten Nachprüfungsantrages erschwert oder behindert wird, steht der Annahme, dass bei einer zeitlichen Abfolge wie im gegebenen Fall ein davon abweichender Ausnahmefall vorliegt, nicht entgegen. Auch unionsrechtlich ist nicht anderes geboten, weil Art 2c der Richtlinie 89/665/EWG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/66/EG, für die Stellung eines Nachprüfungsantrages gegen Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers eine Mindestfrist von zehn Tagen vorsieht, die hier ohnehin eingehalten wurde.

Zur Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen hat der VwGH wiederholt ausgesprochen, dass diese nach dem objektiven Erklärungswert "für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter" bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind. Lässt sich der Inhalt eines Begriffes aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw unter Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ermitteln, so kann auch für die Klärung, welche Bedeutung eine Ausschreibungsbestimmung für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter hat, die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein.