21.01.2014 Sonstiges

VwGH: Entschädigung nach dem ImpfschadenG

Nach der Rechtslage nach der Novelle BGBl I Nr 48/2005 besteht der Anspruch auf Entschädigung nach dem ImpfschadenG schon im Fall der "Kausalitätswahrscheinlichkeit", weshalb anhand der maßgeblichen Kriterien (entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinliche Ursache) zu überprüfen ist, ob die belBeh ohne Rechtswidrigkeit zu dem Ergebnis gelangte, es sei nicht einmal die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der gegenständlichen Impfung für die Leiden des Bf anzunehmen


Schlagworte: Impfschadenrecht, Anspruch auf Entschädigung, Kausalitätsnachweis, Kausalitätswahrscheinlichkeit
Gesetze:

§ 1 ImpfschadenG, § 2 ImpfschadenG, § 3 ImpfschadenG

GZ 2010/11/0120, 21.11.2013

 

VwGH: Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage und der Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung in einem Verfahren auf Zuerkennung einer Impfschadenentschädigung wird gem § 43 Abs 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 24. Juli 2013, 2010/11/0119, und auf die Erkenntnisse vom 26. September 2013, 2010/11/0149, sowie vom 23. Mai 2013, 2011/11/0114, verwiesen.

 

Daraus ist hervorzuheben, dass nach der - auch im Beschwerdefall anzuwendenden - Rechtslage nach der Novelle BGBl I Nr 48/2005 der Anspruch auf Entschädigung nach dem ImpfschadenG schon im Fall der "Kausalitätswahrscheinlichkeit" besteht, weshalb anhand der maßgeblichen Kriterien (entsprechende Inkubationszeit, entsprechende Symptomatik, keine andere wahrscheinliche Ursache) zu überprüfen ist, ob die belBeh ohne Rechtswidrigkeit zu dem Ergebnis gelangte, es sei nicht einmal die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der gegenständlichen Impfung für die Leiden des Bf anzunehmen.

 

Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht auf, dass die belBeh die derart gebotenen Vorgaben nicht eingehalten hätte.

 

Im angefochtenen Bescheid wurde das Fehlen der erforderlichen Kausalitätswahrscheinlichkeit damit begründet, dass die beim Bf nach der Impfung geschilderten Symptome nicht in Einklang zu bringen seien mit jenen, die zu erwarten wären, hätte die Impfung die Krankheit verursacht.

 

Schon die beschriebene Dauer und die Höhe des Fiebers sei ein untypisches Symptom für ein durch die Masern-Mumps-Impfung verursachtes Fieber, zumal keine Hinweise für einen schweren Immundefekt vorlägen (der Bf habe zwar vorgebracht, die Abwehrkraft des Immunsystems sei durch das im Impfstoff enthaltene Konservierungsmittel Thiomersal geschwächt gewesen, doch würde dieser Wirkstoff nur als Konservierungsmittel für Totimpfstoffe verwendet, während es sich bei der angeschuldigten Impfung um eine Lebendimpfung handle; auch dem weiteren Vorbringen, das Immunsystem sei bei der fraglichen Impfung am 28. Jänner 1983 beeinträchtigt gewesen, weil Thiomersal in zuvor verabreichten Vorimpfungen enthalten gewesen sei, könne nicht gefolgt werden, zumal sämtlichen Beweismitteln - übereinstimmend - zu entnehmen sei, dass der Bf die Vorimpfungen komplikationslos vertragen habe).

 

Neurologische Symptome wie Erbrechen, Delirium, Koma, Krampfanfälle, Nackensteifigkeit und Lähmungen seien nicht beobachtet worden. Das geschilderte Symptom "lichtscheu" erinnere zwar an das Bild von Wildmasern, nicht aber an Impfmasern. Seitens des Sachverständigen Dr Mu sei ausführlich dargelegt worden, dass die Symptome bei schweren Fällen im Kindes- und Erwachsenenalter im Prinzip gleich seien.

 

Das "Kriterium 2" sei somit nicht hinlänglich erfüllt, die Symptomatik weise keine ausreichende Ähnlichkeit auf.

 

Der Beschwerde gelingt es nicht, eine Unrichtigkeit der auf diese Ausführungen gestützten Beurteilung, das Ermittlungsverfahren habe die geforderte Wahrscheinlichkeit nicht begründen können, darzustellen.

 

Die Beschwerde rügt zwar, die belBeh habe unerörtert gelassen, wie die angeführten psychischen Symptome bei einem 18 Monate alten Kind, das noch nicht in der Lage ist, sich in irgendeiner Form zu artikulieren, zu diagnostizieren sein sollten, übergeht aber die Ausführungen des Sachverständigen Mu, dass derartige Symptome von einem Arzt für Allgemeinmedizin "kaum übersehen" werden könnten (der Bf stand wegen des Fiebers in ärztlicher Behandlung).

 

Das Argument der Beschwerde, es sei ohnehin - das nach allen beigezogenen Sachverständigen wichtigste Symptom - Fieber aufgetreten, verkennt, dass nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Sachverständigen Ma sowohl die lange Dauer des Fiebers als auch dessen Höhe untypisch für eine impfbedingte Enzephalitis sei.

 

Ist aber davon auszugehen, dass die geforderte "neurologische Symptomatik" fehlt, und ist Dauer und Höhe des aufgetretenen Fiebers nicht in Einklang zu bringen mit einem durch die Impfung verursachten (was die Beschwerde nicht konkret in Abrede stellt), ist die Beurteilung der belBeh, es fehle insgesamt an einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit der Kausalität, nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang ist abschließend der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass die Annahme der belBeh, das "Zeitfenster" passe und es sei auch (wenngleich eingeschränkt) das Kriterium "Fehlen einer anderen - wahrscheinlicheren - Ursache" erfüllt, in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu den diesbezüglichen Ausführungen des von ihr beigezogenen Sachverständigen Mu steht.

 

Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Mu werden von der Beschwerde nicht konkret dargelegt.

 

Der VwGH vermag auch nicht zu erkennen, inwiefern der wiedergegebene Passus der Impfempfehlung aus dem Jahr 1993 eine Befangenheit des Sachverständigen bei Erstattung seines Gutachtens begründen solle: Der in Rede stehende Passus findet sich im Kapitel "Impfdokumentation", in dem zunächst die Wichtigkeit einer genauen Dokumentation der einzelnen Impfung - unter Anführung des Namens und der Chargennummer des Impfstoffs - betont und dann (im nächsten Absatz) darauf hingewiesen wird, dass gem § 75 Arzneimittelgesetz "unerwünschte Arzneimittelwirkungen unverzüglich … zu melden sind".

 

Daran schließt sich der Hinweis, dass "gerade bei Impfungen solche Verdachtsfälle abgeklärt werden müssen", unerwünschte Arzneimittelwirkungen also zu untersuchen sind. Die Formulierung im letzten Satz, es "sollten ärztlicherseits Erhebungen durchgeführt werden, die dazu geeignet sind, eine andere Ätiologie der vorliegenden Gesundheitsstörung zu diagnostizieren", ist bei verständiger Würdigung ihres Gesamtzusammenhangs also dahin zu verstehen, dass mögliche Verdachtsfälle zu untersuchen sind; das vom Bf unterlegte Verständnis, dass damit "darauf geschaut werden soll, dass möglichst keine Impfschäden iSd ImpfschadenG auftauchen können", kann dem nicht entnommen werden.

 

Die Nichtbestellung eines weiteren Sachverständigen begründet daher keinen Verfahrensmangel.