23.04.2014 Wirtschaftsrecht

VwGH: § 107 Abs 2 TKG – zur (konkludenten) Zustimmung zum Empfang von elektronischer Post zu Werbezwecken

Die Eingabe einer E-Mail-Adresse in ein öffentliches Online-Mitgliederverzeichnis ist nicht als (konkludente) Zustimmung zum Empfang von elektronischer Post zu Werbezwecken zu verstehen, zumal daraus ein konkreter Rechtsfolgewille zum Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken (für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee einschließlich bestimmter politischer Anliegen samt der Weitergabe von Argumenten dafür) nicht ableitbar ist


Schlagworte: Telekommunikationsrecht, unerbetene Nachrichten, konkludente Zustimmung, öffentliches Online-Mitgliederverzeichnis
Gesetze:

§ 107 TKG, § 109 TKG, § 863 ABGB, § 21 VStG aF, § 5 VStG

GZ 2011/03/0198, 19.12.2013

 

Zur Frage einer etwaigen Zustimmung der Empfängerin zum Erhalt der inkriminierten E-Mail führen die Bf insbesondere aus, die Wirtschaftskammer Österreich führe ein öffentlich zugängliches Mitgliederverzeichnis, aus dem Firma, Sitz und Berechtigungsdaten der Mitglieder ersichtlich seien. Die einzelnen Mitglieder könnten in dieses Verzeichnis zusätzlich ihre E-Mail-Adresse selbständig eingeben. Die Empfängerin des beanstandeten E-Mail habe dies getan und somit dem Erhalt von Wahlinformation über Wirtschaftskammerwahlen konkludent zugestimmt. Der Zweitbeschwerdeführerin sei die vollständige Wählerliste (der Wahlberechtigten) gem § 9 Wirtschaftskammerwahlordnung zur Verfügung gestellt worden und habe so die E-Mail-Adresse der Empfängerin der beanstandeten E-Mail erhalten.

 

VwGH: Bei der nach § 107 Abs 2 TKG 2003 erforderlichen Zustimmung handelt es sich um eine Willenserklärung des (zukünftigen) Empfängers elektronischer Post, wobei für diese Zustimmung ein gesetzliches Formerfordernis nicht besteht, sodass auch eine konkludente Zustimmung nicht ausgeschlossen ist. Eine konkludente Erklärung kann nur dann angenommen werden, wenn eine Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewillen in einer bestimmten Richtung vorliegt; dass also - bezogen auf den Beschwerdefall - ein bestimmtes Verhalten nur als Einwilligung zum Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken verstanden werden kann.

 

Die Eingabe einer E-Mail-Adresse in ein öffentliches Online-Mitgliederverzeichnis ist entgegen der Beschwerde nicht als (konkludente) Zustimmung zum Empfang von elektronischer Post zu Werbezwecken zu verstehen, zumal daraus ein konkreter Rechtsfolgewille zum Erhalt elektronischer Post zu Werbezwecken (für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee einschließlich bestimmter politischer Anliegen samt der Weitergabe von Argumenten dafür) nicht ableitbar ist. Vielmehr ermöglicht ein solches Verzeichnis den potentiellen Kunden des Eingetragenen, anderen im Verzeichnis Genannten sowie jeder Einsicht nehmenden Person die Kontaktaufnahme mit dem Eingetragenen, ohne dass schon die Eintragung die Übermittlung einer elektronischen Post der in Rede stehenden Art rechtfertigen würde.

 

Wenn sich die Bf auf § 9 Wirtschaftskammerwahlordnung beziehen und vorbringen, sie hätten die E-Mail-Adresse im Zuge des "Zurverfügenstellens" der Wählerlisten an die im jeweiligen Wirtschaftsparlament vertretenen Wählergruppen erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass § 9 der Wirtschaftskammerwahlordnung ua explizit von der Anschrift des Unternehmens, nicht aber von seiner E-Mail-Adresse spricht, und schon deshalb daraus eine Zustimmung zum Erhalt von elektronischer Post zu Werbezwecken nicht abgeleitet werden kann. Das objektive Tatbild des § 107 Abs 2 Z 1 TKG 2003 ist damit erfüllt.

 

Schon vor diesem Hintergrund erweisen sich die Verfahrensrügen betreffend die in der Beschwerde behauptete Abgabe einer (konkludenten) Zustimmung (insbesondere iZm der Aufnahme von Beweisen und der Beweiswürdigung) als nicht zielführend.

 

Im Übrigen kann nicht gesehen werden, dass § 107 Abs 2 TKG 2003, auf dessen Grundlage der angefochtene Bescheid erlassen wurde, den Vorgaben des Artikel 52 Abs 1 GRC, soweit dies die Einschränkung der Rechte des Versenders einer unerwünschten elektronischen Post betrifft, nicht entspräche: So ist die Einschränkung gesetzlich vorgesehen und zum wirksamen Schutz der Rechte des Empfängers erforderlich, zumal dieser Schutz ohne das besagte Zustimmungserfordernis nicht erreichbar erscheint. Sie trägt aber insofern auch den Rechten eines Absenders insofern Rechnung, als dieser seine elektronische Post dem Empfänger nach Einholung von dessen Zustimmung ohnehin zusenden darf. Sie ist auch insofern verhältnismäßig, weil dem Absender auch ohne Vorliegen einer Zustimmung andere Wege der Zusendung seiner Post an den Empfänger nicht untersagt werden.

 

Da es sich bei der im Beschwerdefall vorgeworfenen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt handelt, wäre gem § 5 Abs 1 VStG glaubhaft zu machen gewesen, dass an der Umsetzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden gegeben sei. Soweit die Beschwerde von einem geringfügigen Verschulden iSd § 21 VStG ausgeht, ist darauf hinzuweisen, dass es ihr mit den geltend gemachten (zudem nicht weiter konkretisierten) Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter nicht gelingt, ein wirksames Kontrollsystem, mit dem die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften jederzeit sichergestellt werden kann, glaubhaft zu machen; Gleiches gilt bezüglich der in der Beschwerde mit den Schulungsmaßnahmen genannten, aber ebenfalls nicht näher konkretisierten "Maßnahmen". Derart kann von einem geringfügigen Verschulden iSd § 21 VStG aber nicht gesprochen werden.