03.02.2015 Wirtschaftsrecht

VwGH: § 230 Z 1 BVergG 2006 – Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung beim offenen Verfahren

Bei gesetzeskonformer Interpretation der Ausschreibungsbedingungen iSd § 230 Z 1 BVergG, der das Vorliegen der Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung verlangt, musste die Zweitmitbeteiligte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Angebotsöffnung zwar nicht schon tatsächlich über die erforderlichen Fahrzeuge verfügen, sondern (bloß) einen - über Aufforderung vorzulegenden - Nachweis für die Verfügbarkeit dieser Fahrzeuge zu Leistungsbeginn besitzen; durch das über Aufforderung der Auftraggeberin nach Angebotsöffnung vorgelegte "verbindliche Angebot" eines Fahrzeuglieferanten vom 22. November 2011 über die geforderte Anzahl geeigneter Fahrzeuge mag nachgewiesen sein, dass die Zweitmitbeteiligte nunmehr die laut Ausschreibung geforderte technische Leistungsfähigkeit erbringe; die Beschwerde verweist jedoch zutreffend darauf, dass diese vom 22. November 2011 - somit von einem nach Angebotsöffnung liegenden Zeitpunkt - datierte Urkunde nicht geeignet ist, das Vorliegen der technischen Leistungsfähigkeit der Zweitmitbeteiligten für den gem § 230 Z 1 BVergG relevanten Zeitpunkt der Angebotsöffnung zu belegen


Schlagworte: Vergaberecht, Zeitpunkt des Vorliegens der Eignung beim offenen Verfahren
Gesetze:

 

§ 230 BVergG 2006

 

GZ 2012/04/0065, 27.10.2014

 

VwGH: Gemäß § 230 Z 1 BVergG 2006 muss (unbeschadet der hier nicht relevanten Regelung des § 188 Abs 1 BVergG) beim offenen Verfahren (ua) die Leistungsfähigkeit spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen. Wird diese Bestimmung nicht erfüllt und haftet daher dem Angebot ein Mangel an, so ist zu unterscheiden, ob im genannten Zeitpunkt die Leistungsfähigkeit - als solche - fehlt (in diesem Fall läge ein unbehebbarer Mangel vor) oder ob es bloß am Nachweis der - im maßgeblichen Zeitpunkt an sich bereits bestehenden - Leistungsfähigkeit mangelt (dabei handelte es sich um einen behebbaren Mangel; vgl zum gleichlautenden § 69 Z 1 BVergG das Erkenntnis vom 11. November 2011, 2009/04/0203).

 

Nach dem festgestellten Wortlaut der Ausschreibung ist die technische Leistungsfähigkeit - fallbezogen die Tatsache, dass ein Bieter zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die im Wageneinsatzplan (Beilage zum Leistungsverzeichnis) geforderte Anzahl Fahrzeuge plus Reservefahrzeug verfügen werde - auf Aufforderung durch Vorlage eines Vorvertrages oder durch Kopien der Zulassungsscheine nachzuweisen. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen, hier des BVergG 2006, zu lesen. Bei gesetzeskonformer Interpretation der Ausschreibungsbedingungen iSd § 230 Z 1 BVergG, der das Vorliegen der Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung verlangt, musste die Zweitmitbeteiligte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Angebotsöffnung zwar nicht schon tatsächlich über die erforderlichen Fahrzeuge verfügen, sondern (bloß) einen - über Aufforderung vorzulegenden - Nachweis für die Verfügbarkeit dieser Fahrzeuge zu Leistungsbeginn besitzen. Durch das über Aufforderung der Auftraggeberin nach Angebotsöffnung vorgelegte "verbindliche Angebot" eines Fahrzeuglieferanten vom 22. November 2011 über die geforderte Anzahl geeigneter Fahrzeuge mag nachgewiesen sein, dass die Zweitmitbeteiligte nunmehr die laut Ausschreibung geforderte technische Leistungsfähigkeit erbringe. Die Beschwerde verweist jedoch zutreffend darauf, dass diese vom 22. November 2011 - somit von einem nach Angebotsöffnung liegenden Zeitpunkt - datierte Urkunde entgegen der Rechtsansicht der belBeh nicht geeignet ist, das Vorliegen der technischen Leistungsfähigkeit der Zweitmitbeteiligten für den gem § 230 Z 1 BVergG relevanten Zeitpunkt der Angebotsöffnung zu belegen. Angesichts dieser rechtlichen Beurteilung kann die Frage, ob ein "verbindliches Angebot" dem in den Ausschreibungsbedingungen als Nachweis vorgesehenen Vorvertrag gleichzuhalten ist, dahinstehen.