02.03.2015 Verfahrensrecht

VwGH: § 29 VwGVG – zur Frage der Anfechtbarkeit bloß mündlich verkündeter Entscheidungen

Auch vor dem Hintergrund des hier anzuwendenden § 29 VwGVG 2014 bestehen derzeit keine Bedenken gegen die Möglichkeit der Anfechtung bereits des nur mündlich verkündeten Erkenntnisses


Schlagworte: Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse, Verwaltungsgericht, Anfechtung des nur mündlich verkündeten Erkenntnisses
Gesetze:

 

§ 29 VwGVG, § 60 AVG

 

GZ Ro 2014/04/0068, 15.12.2014

 

VwGH: Gem § 29 Abs 1 VwGVG sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen. Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat idR das VwG gem Abs 2 leg cit das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden. Gem § 29 Abs 4 VwGVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen.

 

In Hinblick auf die vom VfGH in seinem Prüfungsbeschluss vom 8. Oktober 2014, E 163/2014-13, geäußerten Bedenken betreffend die Bestimmung des § 29 VwGVG ist zur Frage der Anfechtbarkeit bloß mündlich verkündeter Entscheidungen auf die stRsp des VwGH zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014 betreffend das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten zu verweisen, wonach unabhängig von der Einhaltung der Verpflichtung, den Parteien gem § 67g Abs 3 AVG aF eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen, ohne dass dafür ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre, der gem § 67g Abs 1 AVG aF mündlich verkündete Bescheid bereits mit seiner mündlichen Verkündung rechtlich existent wird, sodass gegen ihn zulässigerweise eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werden konnte. Dabei hat das Fehlen der Wiedergabe der Begründung im Protokoll auf die Rechtsgültigkeit der (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung des Bescheides durch mündliche Verkündung keinen Einfluss. Auch vor dem Hintergrund des hier anzuwendenden § 29 VwGVG bestehen derzeit keine Bedenken gegen die Möglichkeit der Anfechtung bereits des nur mündlich verkündeten Erkenntnisses.

 

§ 29 Abs 1 VwGVG statuiert die Verpflichtung zur Begründung der Erkenntnisse durch die Verwaltungsgerichte. Im Sinne des gem § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rsp des VwGH erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Angesichts ihrer sich aus Art 130 B-VG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte den sich aus § 29 Abs 1 VwGVG iVm § 60 AVG ergehenden Anforderungen dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben.

 

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht: Zwar ist dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2014 eine grobe Zusammenfassung der Entscheidungsgründe zu entnehmen, jedoch sind diese für sich nicht ausreichend, um dem VwGH eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses zu ermöglichen, zumal auch im Verkündungsprotokoll auf die näheren Begründungsausführungen in der schriftlichen Bescheidausfertigung verwiesen wird, die jedoch nach dem Gesagten nicht vorliegt.

 

Indem die Revision diese Begründungsmängel vorbringt, zeigt sie einen revisiblen Verfahrensmangel auf, weil die lückenhafte Darstellung der Entscheidungsgründe eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung verhindert.