16.06.2015 Wirtschaftsrecht

VwGH: Auslegung undeutlicher Ausschreibungsbestimmungen zu Lasten des Auftraggebers?

Ausschreibungsbestimmungen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen; in Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen


Schlagworte: Vergaberecht, Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen
Gesetze:

 

§ 78 BVergG 2006, § 79 BVergG 2006, § 914 ABGB, § 915 ABGB, § 863 ABGB, § 52 AVG, §§ 320 ff BVergG 2006

 

GZ Ra 2015/04/0017, 18.03.2015

 

Die Revision bringt vor, das VwG habe die Unklarheitenregel des § 915 ABGB entgegen der Rsp des VwGH ausgelegt, welcher in stRsp judiziere, dass undeutliche Ausschreibungsbestimmungen zu Lasten des Auftraggebers auszulegen seien.

 

VwGH: Zu diesem Vorbringen ist klarzustellen, dass eine derartige Rsp des VwGH zur vergaberechtlichen Nachprüfung nicht besteht. Vielmehr hat der VwGH festgehalten, dass Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind. In Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen. Lässt sich der Inhalt eines Begriffes aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw unter Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ermitteln, so kann für die Klärung, welche Bedeutung eine Ausschreibungsbestimmung für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter hat, auch die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein.