01.02.2016 Wirtschaftsrecht

VwGH: Vorschreibung von Auflagen nach § 79 GewO

Es ist nicht Voraussetzung der Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach § 79 Abs 1 GewO, dass eine Änderung in dem - dem Genehmigungsbescheid zugrunde gelegenen - Sachverhalt eingetreten ist; bei der Beurteilung von Belästigungen gem § 77 Abs 2 GewO kommt es nicht auf das subjektive Empfinden einzelner Nachbarn an, sondern es ist ein objektiver Beurteilungsmaßstab vorgegeben


Schlagworte: Gewerberecht, Betriebsanlagen, Auflagen, Belästigungen
Gesetze:

 

§ 74 GewO, § 77 GewO, § 79 GewO

 

GZ Ra 2015/04/0089, 11.11.2015

 

Die revisionswerbenden Parteien monieren, das VwG habe nicht geprüft, ob die Auflage in die Substanz der verliehenen Rechte eingreife und damit das Wesen der genehmigten Betriebsanlage verändere. Es hätte Feststellungen dazu bedurft, ob mit der vorgeschriebenen Einschränkung des betrieblichen Verkehrs der genehmigte Betrieb (im Hinblick auf die vertraglichen Verpflichtungen, das Fleisch termingerecht in der Früh anzuliefern) überhaupt noch aufrechterhalten werden könne.

 

VwGH: Nach der hg Rsp ändert eine Auflage dann die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen, wenn sie in die Substanz des verliehenen Rechtes - in die Summe der genehmigten zu verrichtenden Tätigkeiten - eingreift. Zur Frage, ob sich nachträgliche Auflagen auf das Wesen der Betriebsanlage auswirken, sind entsprechende Feststellungen zu treffen.

 

Im vorliegenden Fall nimmt das VwG - in nicht zu beanstandender Weise - angesichts der bestehenden Genehmigungsbescheide an, dass eine Zufahrt vor 05.00 Uhr - wie sie von den revisionswerbenden Parteien als erforderlich erachtet wird - vom bestehenden Genehmigungskonsens nicht erfasst ist. Ausgehend davon ist ein Ausschluss von LKW-Fahrten für den Zeitraum vor 05.00 Uhr nicht Gegenstand des Verfahrens (siehe das Erkenntnis vom 11. November 1998, 98/04/0137, wonach in Verfahren nach § 79 GewO vom konsensgemäßen Anlagenbetrieb und den daraus resultierenden Gefährdungen auszugehen ist). Deshalb zeigen die revisionswerbenden Parteien mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen (zur Notwendigkeit der weiteren Zulässigkeit von Fahrbewegungen vor 05.00 Uhr, die nach Auffassung des VwG derzeit nicht genehmigt sind) nicht auf, dass das VwG von der Rsp des VwGH abgewichen ist. Dass die vom VwG zumindest im Ergebnis vertretene Annahme, der Ausschluss von LKW-Fahrten im Zeitraum zwischen 05.00 und 06.00 Uhr verändere die gegenständliche Betriebsanlage nicht in ihrem Wesen, unvertretbar wäre, vermögen die revisionswerbenden Parteien nicht aufzuzeigen.

 

Soweit die revisionswerbenden Parteien mit ihrem Vorbringen die Interessenabwägung bzw Verhältnismäßigkeitsprüfung des VwG angreifen, ist auf die hg Rsp zu verweisen, wonach der mit der Erfüllung einer Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen kann, wenn das Ziel einer Auflage (wie hier hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der LKW-Fahrten in der Früh) dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient.

 

Soweit die revisionswerbenden Parteien vorbringen, die Zumutbarkeit von Belästigungen gem § 77 Abs 2 GewO sei nach der zu erwartenden Veränderung der bestehenden Verhältnisse zu beurteilen und vorliegend hätten sich die Belästigungen seit dem (letzten) Änderungsbescheid aus 2011 nicht verändert, ist zu entgegnen, dass es nach der hg Rsp nicht Voraussetzung der Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach § 79 Abs 1 GewO ist, dass eine Änderung in dem - dem Genehmigungsbescheid zugrunde gelegenen - Sachverhalt eingetreten ist. Das von den revisionswerbenden Parteien diesbezüglich ins Treffen geführte hg Erkenntnis vom 22. Mai 2003, 2001/04/0168, betraf nicht die nachträgliche Vorschreibung von Auflagen nach § 79 GewO, sondern die Änderung einer Betriebsanlagengenehmigung nach § 81 GewO.

 

Die revisionswerbenden Parteien weisen zutreffend darauf hin, dass es bei der Beurteilung von Belästigungen nicht auf das subjektive Empfinden einzelner Nachbarn ankommt, sondern ein objektiver Beurteilungsmaßstab vorgegeben ist. Allerdings stützt sich die rechtliche Beurteilung des VwG hinsichtlich des nicht hinreichenden Schutzes der gem § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen auf die Gutachten des gewerbetechnischen und des medizinischen Sachverständigen und nicht - wie die revisionswerbenden Parteien nahelegen - auf die bloße "Überempfindlichkeit" zweier Nachbarn.