10.05.2016 Verkehrsrecht

VwGH: Verweigerung einer Atemluftuntersuchung bei Verletzung durch Verkehrsunfall?

Von einer Weigerung, die Atemluft auf Alkoholgehalt zu untersuchen (§ 99 Abs 1 lit b StVO), kann nicht ausgegangen werden, wenn die Bedienung eines Alkomaten gesundheits- bzw verletzungsbedingt nicht möglich war, und diese Umstände erst nach der Atemluftuntersuchung hervorgekommen sind


Schlagworte: Straßenverkehrsrecht, Führerscheinrecht, Verweigerung einer Atemluftuntersuchung bei Verletzung durch Verkehrsunfall, gesundheitliche Beeinträchtigung im Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung unbekannt
Gesetze:

 

§ 5 StVO, § 99 StVO, § 26 FSG

 

GZ Ra 2015/11/0087, 28.01.2016

 

VwGH: Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Annahme zugrunde, dass die Messergebnisse der gegenständlichen Atemluftuntersuchung nicht verwertbar waren, weil die Revisionswerberin ihre Atemluft nicht durchgängig und in einem Zug in den Alkomaten geblasen hat. Auch wurde erkennbar festgestellt, dass die Revisionswerberin im Zuge der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung gegenüber dem einschreitenden Organ nicht über Schmerzen bei der Bedienung des Alkomaten berichtet hat, dass bei ihr aber am Tag nach dem Verkehrsunfall und der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung der Bruch von zwei Rippen und ein Bluterguss auf der Lunge in einem Krankenhaus diagnostiziert wurden.

 

Rechtlich hat das VwG den geschilderten Sachverhalt als "Verweigerung" der Atemluftalkoholuntersuchung seitens der Revisionswerberin gem § 99 Abs 1 lit b iVm § 5 Abs 2 StVO eingestuft, die gem § 26 Abs 2 Z 1 FSG zwingend zur Entziehung der Lenkberechtigung führe.

 

Es trifft zu, dass in dem vom VwG zitierten hg Erkenntnis, 2007/02/0240, in einem Fall, in dem die damalige Bf im Nachhinein das Vorliegen einer "chronischen Bronchitis" für die Nichtverwertbarkeit der Messergebnisse des Alkomaten ins Treffen geführt hat, vom VwGH ausgesprochen wurde, es sei unerheblich, ob die Bf tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen, weil sie bei der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen habe und nicht behauptet werde, dass dies den einschreitenden Organen erkennbar gewesen sei.

 

Dieser Rechtssatz findet sich auch in dem (gleichfalls vom VwG zitierten) hg Erkenntnis vom 15. April 2005, 2003/02/0258, in dem - in einem Fall behaupteter "starker Kopfschmerzen" - ausgesprochen wurde, dass derjenige, der gem § 5 Abs 2 StVO zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend (dh bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomaten aus medizinischen Gründen hinzuweisen habe (sofern dies nicht für Dritte sofort klar erkennbar ist), sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs 5 Z 2 StVO zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei der Bundespolizeidirektion tätigen Arzt zu bringen.

 

Den beiden soeben zitierten Erkenntnissen lagen somit Fälle zugrunde, in denen den betreffenden Personen ihre gesundheitliche Beeinträchtigung im Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung bekannt war.

 

Demgegenüber hat der VwGH im Erkenntnis vom 27. Mai 2011, 2010/02/0191, in einem (mit dem vorliegenden Revisionsfall vergleichbaren) Fall, in welchem dem zur Atemluftuntersuchung Aufgeforderten dessen Erkrankung ("Spirometerasthma") erst nach der Atemluftuntersuchung bekannt wurde und in welchem der Betroffene daher während der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen hatte, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur Bedienung des Alkomaten nicht in der Lage, entschieden, dass dies keine Verweigerung der Atemluftuntersuchung gem § 99 Abs 1 lit b iVm § 5 Abs 2 StVO darstelle. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, die Atemluftprobe abzulegen, einen Mangel am Tatbestand des § 99 Abs 1 lit b StVO darstellt.

 

Diese Ausführungen gelten auch für den vorliegenden Revisionsfall. Hinzu kommt, dass aufgrund der (aktenkundigen, vom VwG aber nicht erwähnten) Anfrage der belBeh vom 16. März 2015 an den Amtsarzt Dr. G. sichtlich von diesem in einem (undatierten) Schreiben unter Bezugnahme auf die Verletzungen der Revisionswerberin ausgeführt wurde, die Schmerzempfindung der Revisionswerberin sei im gegenständlichen Fall möglicherweise herabgesetzt und ihre Fähigkeit, das geforderte Blasvolumen aufzubauen, eingeschränkt gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass es der Revisionswerberin "aufgrund der festgestellten Verletzungen nicht möglich war, einen Alkomattest ordnungsgemäß durchzuführen".

 

Nach dem Gesagten hat das VwG dem angefochtenen Erkenntnis daher unzutreffend die Rechtsansicht zugrunde gelegt, es komme bei der vorliegenden Beurteilung der Verweigerung einer Atemluftuntersuchung auf die im Nachhinein festgestellten Verletzungen der Revisionswerberin nicht an, und hat unter Außerachtlassung der amtsärztlichen Angaben rechtswidrig das Vorliegen einer Übertretung des § 99 Abs 1 StVO und die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Abs 2 Z 1 FSG durch die Revisionswerberin angenommen.