07.06.2016 Verwaltungsstrafrecht

VwGH: Ständige Vertreter ausländischer Aktiengesellschaften – zur Frage, ob ein Vertreter iSd § 254 Abs 2 AktG gem § 9 Abs 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist

Die Stellung des ständigen Vertreters iSd § 254 Abs 2 AktG entspricht inhaltlich jener einer Filialprokura zuzüglich Liegenschaftsklausel (§ 49 UGB), auch wenn eine solche formell nicht erteilt wurde; seine Bestellung erfolgt durch einen Bestellungsakt der ausländischen Gesellschaft; durch den Bestellungsakt zu einem ständigen Vertreter wird dieser nicht zum Organ der Gesellschaft, sondern zum rechtsgeschäftlichen Vertreter; als rechtsgeschäftlicher Vertreter haftet dieser nicht - wie ein organschaftlicher Vertreter - gem § 9 VStG


Schlagworte: Besondere Fälle der Verantwortlichkeit, inländische Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften, ständiger Vertreter, organschaftlicher Vertreter
Gesetze:

 

§ 9 VStG, § 254 AktG

 

GZ Ra 2014/05/0002, 16.03.2016

 

VwGH: Gem § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften (sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind) strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Damit sind nur die durch die Verfassung der juristischen Person (Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag) zur Vertretung berufenen Organe gemeint.

 

Laut dem mit den Verfahrensakten vorgelegten Firmenbuchauszug ist der Revisionswerber ständiger Vertreter und Prokurist der österreichischen Zweigniederlassung der C-AG, während T.H. deren vertretungsbefugtes Organ ist.

 

Als Prokurist ist der Revisionswerber entsprechend der ständigen hg Judikatur mangels Organstellung jedenfalls nicht als zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 Abs 1 VStG einzustufen. Der Revisionswerber ist jedoch - unstrittig - auch ständiger Vertreter iSd § 254 Abs 2 AktG.

 

Die Stellung des ständigen Vertreters iSd § 254 Abs 2 AktG entspricht inhaltlich jener einer Filialprokura zuzüglich Liegenschaftsklausel (§ 49 UGB), auch wenn eine solche formell nicht erteilt wurde.

 

Seine Bestellung erfolgt durch einen Bestellungsakt der ausländischen Gesellschaft. Durch den Bestellungsakt zu einem ständigen Vertreter wird dieser nicht zum Organ der Gesellschaft, sondern zum rechtsgeschäftlichen Vertreter. Als rechtsgeschäftlicher Vertreter haftet dieser nicht - wie ein organschaftlicher Vertreter - gem § 9 VStG.

 

Die vom VwG vertretene Ansicht, der Revisionswerber sei als ständiger Vertreter iSd § 254 Abs 2 AktG gem § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufen, trifft daher mangels einer Organstellung in der Gesellschaft nicht zu. Da - wovon das VwG ausging - die von der Erstbehörde herangezogenen Bestimmungen der NÖ Bauordnung keine von § 9 Abs 1 VStG abweichenden Bestimmungen enthalten, erfolgte die Bestrafung somit zu Unrecht.