14.01.2018 Wirtschaftsrecht

VwGH: Zur Frage, ob nach Ablauf der Sechsmonatsfrist gem § 332 Abs 3 BVergG 2006 noch eine Geldbuße iSd § 334 Abs 7 BVergG 2006 verhängt werden darf

Zwar hat es der VwGH insbesondere im Hinblick auf den auch im Unionsrecht anerkannten Stellenwert der Rechtssicherheit als gerechtfertigt angesehen, bei einer Antragstellung nach Ablauf von sechs Monaten nach § 334 Abs 2 zweiter Satz BVergG 2006 von einer Nichtigerklärung des Vertrages abzusehen und den Vertrag aufrechtzuerhalten; die zu wahrende Rechtssicherheit erfordert es nach Ansicht des VwGH aber nicht, bei Absehen von der Nichtigerklärung des Vertrages gleichermaßen auch von der Verhängung einer Geldbuße abzusehen


Schlagworte: Vergaberecht, Feststellungsantrag, Ablauf der Sechsmonatsfrist, Absehen von Nichtigerklärung, Verhängung einer Geldbuße
Gesetze:

 

§ 334 BVergG 2006, § 332 BVergG 2006, § 331 BVergG 2006

 

GZ Ra 2017/04/0005, 23.10.2017

 

Nach Ansicht des Revisionswerbers sei das Urteil des EuGH in der Rs. C-166/14 einschränkend dahingehend zu verstehen, dass die Sechsmonatsfrist nur für die Stellung von Feststellungsanträgen, die Voraussetzung für eine Schadenersatzklage seien, nicht gelten solle, während sie als "Verjährungsfrist (...) hinsichtlich der Sanktionierbarkeit von Verstößen" gegen das BVergG 2006 weiterhin gelte. Eine Verdrängung des nationalen Rechts zur Herstellung der Unionsrechtskonformität sei nur insoweit zulässig, als nach Ablauf der Sechsmonatsfrist ein Feststellungsantrag gestellt werden könne, die Feststellung der Rechtswidrigkeit aber weder die Nichtigerklärung des Vertrages noch alternative Sanktionen zur Folge haben könne. Eine derartige Rechtsansicht stehe mit dem Urteil des EuGH in der Rs. C-166/14 in Einklang.

 

VwGH: Es ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, ob eine Regelung, der zufolge bei einer Antragstellung nach Ablauf von sechs Monaten von der Verhängung einer Geldbuße abzusehen ist, unionsrechtskonform wäre bzw mit dem Urteil des EuGH in der Rs. C-166/14 in Einklang stünde. Maßgeblich ist vielmehr, welche Vorgaben sich aus den Regelungen des BVergG 2006 zur Verhängung einer Geldbuße, soweit sie unionsrechtskonform sind und nicht durch Unionsrecht verdrängt werden, ergeben.

 

§ 331 Abs 1 Z 2 BVergG 2006 normiert das Recht, die Feststellung zu beantragen, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung rechtswidrig gewesen ist. Eine Differenzierung der Feststellungsanträge danach, ob damit die Voraussetzung für die Einbringung einer Schadenersatzklage geschaffen werden soll oder ob der Antrag auf die Nichtigerklärung des Vertrages abzielt, enthält das BVergG 2006 nicht. Nach den Ausführungen im Erkenntnis vom 16. März 2016, 2015/04/0004, hat die für einen derartigen Feststellungsantrag geltende Sechsmonatsfrist des § 332 Abs 3 BVergG 2006 infolge Verdrängung durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht unangewendet zu bleiben. Wenn dem Antrag inhaltlich Berechtigung zukommt, ist daher eine Feststellung nach § 312 Abs 3 Z 3 BVergG 2006 zu treffen, woran nach § 334 Abs 2 erster Satz BVergG 2006 - sofern keine Ausnahme schlagend wird - die Verpflichtung anschließt, den Vertrag für absolut nichtig zu erklären.

 

Zwar hat es der VwGH im zitierten Erkenntnis 2015/04/0004 insbesondere im Hinblick auf den auch im Unionsrecht anerkannten Stellenwert der Rechtssicherheit als gerechtfertigt angesehen, bei einer Antragstellung nach Ablauf von sechs Monaten nach § 334 Abs 2 zweiter Satz BVergG 2006 von einer Nichtigerklärung des Vertrages abzusehen und den Vertrag aufrechtzuerhalten. Die zu wahrende Rechtssicherheit erfordert es nach Ansicht des VwGH aber nicht, bei Absehen von der Nichtigerklärung des Vertrages gleichermaßen auch von der Verhängung einer Geldbuße abzusehen. Es sind auch keine anderen unionsrechtlichen Vorgaben ersichtlich, die einer nationalen Regelung entgegenstehen, der zufolge bei Feststellung eines (elementaren) Verstoßes gegen vergaberechtliche Vorschriften über den Auftraggeber eine Geldbuße verhängt wird, wenn der Vertrag im Hinblick auf die mittlerweile als vorrangig anzusehende Rechtssicherheit aufrechterhalten wird. Der VwGH ist daher nicht der Auffassung, dass eine Verdrängung der Regelung über die Verhängung einer Geldbuße in einer Konstellation wie der vorliegenden unionsrechtlich geboten wäre.

 

Der Revisionswerber bringt vor, mit der Regelung des § 332 Abs 3 BVergG 2006 gehe eine "Verjährung der Strafbarkeit" einher, die nicht beliebig verlängert werden könne. Eine Auslegung dahingehend, dass auch nach Ablauf dieser Frist Sanktionen zu verhängen seien, würde zu Willkür führen und gegen den Vertrauensgrundsatz verstoßen. Der Vollziehung könne nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, die Strafbarkeit eines nicht mehr strafbaren Verhaltens wieder aufleben zu lassen.

 

Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich nach den Erläuterungen zu § 334 Abs 7 BVergG 2006 bei der Geldbuße nicht um eine Verwaltungsstrafe, sondern um ein neues Sanktionssystem handelt. Zudem wird durch die Normierung einer Antragsfrist nur die Geltendmachung eines Anspruchs befristet, aber keine Verjährung normiert. Im Übrigen kann - soweit der Revisionswerber der Sache nach eine verbotene rückwirkende Bestrafung geltend macht - auf den Beschluss des VfGH vom 12. Juni 2017, E 122/2017, verwiesen werden, mit dem die Behandlung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen das angefochtene Erkenntnis abgelehnt wurde.