20.03.2018 Arbeitsrecht

VwGH: § 50c DSG 2000; Bestreitung der Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung iZm „objektschutz-bezogener“ Videoüberwachung – zur Frage, ob im Zuge der Behandlung der Meldung einer Videoüberwachung als Datenanwendung zu prüfen ist, ob die gemeldete Datenanwendung eine Betriebsvereinbarung gem § 96a ArbVG erfordert und ob die Registrierung der Meldung abzulehnen ist, wenn eine erforderliche Betriebsvereinbarung nicht vorgelegt wird

Der Datenschutzbehörde (bzw im Beschwerdeverfahren: dem VwG) obliegt es, im Wege der Vorfragenbeurteilung zu prüfen, ob die gemeldete Datenanwendung gem § 96a Abs 1 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf und demnach eine Betriebsvereinbarung abzuschließen - und somit auch vorzulegen – ist; § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG erfasst Systeme "zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten"; soweit die Revisionswerberin auf den von ihr mit der Videoüberwachung verfolgten Zweck des Objektschutzes verweist, ist dem zu entgegnen, dass die genannte Regelung nicht auf einen bestimmten, vom Arbeitgeber verfolgten Kontrollzweck der Datenanwendung abstellt


Schlagworte: Datenschutzrecht, Meldepflicht und Registrierungsverfahren, objektschutz-bezogene Videoüberwachung, gemeldete Datenanwendung, erforderliche Betriebsvereinbarung, Vorfrage, Ablehnung
Gesetze:

 

§ 38 AVG, § 20 DSG 2000, § 17 DSG 2000, § 21 DSG 2000

 

GZ Ro 2016/04/0051, 23.10.2017

 

VwGH: Nach Abs 1 letzter Satz des - die Meldepflicht und das Registrierungsverfahren für Videoüberwachungen regelnden - § 50c DSG 2000 sind Betriebsvereinbarungen, soweit solche gem § 96a ArbVG abzuschließen sind, im Registrierungsverfahren vorzulegen. Die Vorlage ist dem datenschutzrechtlichen Auftraggeber nicht freigestellt, sondern - bei Vorliegen der Voraussetzung - verpflichtend vorgesehen. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin stellt der Wortlaut des § 50c Abs 1 letzter Satz DSG 2000 für die Verpflichtung zur Vorlage der Betriebsvereinbarung nicht darauf ab, ob Betriebsvereinbarungen tatsächlich bestehen, sondern ob sie gem § 96a ArbVG "abzuschließen sind".

 

Damit ist aber die Beurteilung, ob eine Betriebsvereinbarung abzuschließen ist, Voraussetzung für die Beantwortung der Frage, ob eine solche vorzulegen ist. Insoweit werden - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - durch die Auffassung des VwG auch nicht die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Videoanlage materiell erweitert. Vielmehr obliegt es ausgehend vom dargestellten Zusammenhang der Datenschutzbehörde (bzw im Beschwerdeverfahren: dem VwG), im Wege der Vorfragenbeurteilung zu prüfen, ob die gemeldete Datenanwendung gem § 96a Abs 1 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf und demnach eine Betriebsvereinbarung abzuschließen - und somit auch vorzulegen - ist.

 

Der - gem § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbare - § 38 AVG sieht vor, dass die Behörde berechtigt ist, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Im vorliegenden Fall kann die Frage, ob eine Maßnahme nach § 96a Abs 1 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf (und daher eine Betriebsvereinbarung abzuschließen ist), Hauptfrage in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren sein. Dass über die hier gegenständliche Vorfrage in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits rechtskräftig entschieden worden wäre, wird nicht behauptet.

 

Auch die daran anschließende Auffassung des VwG über die Konsequenzen der unterbliebenen Vorlage der Betriebsvereinbarung findet in den Regelungen des DSG 2000 Deckung.

 

Videoüberwachungen unterliegen gem § 50c Abs 1 DSG 2000 jedenfalls der Meldepflicht nach den §§ 17 ff DSG 2000 und - abgesehen von einer fallbezogen nicht einschlägigen Ausnahme - auch der Vorabkontrolle nach § 18 Abs 2 DSG 2000. Die Nicht-Vorlage einer - von der Datenschutzbehörde bzw vom VwG als erforderlich angesehenen - Betriebsvereinbarung im Registrierungsverfahren ist als Mangelhaftigkeit der Meldung iSd § 19 Abs 4 DSG 2000 anzusehen. Somit ist nach § 20 Abs 4 und 5 DSG 2000 dem datenschutzrechtlichen Auftraggeber die Verbesserung der Meldung aufzutragen und, wenn dem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen wird, die Registrierung der Meldung abzulehnen.

 

Das VwG ist somit grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Nicht-Vorlage einer gem § 96a ArbVG abzuschließenden Betriebsvereinbarung die Ablehnung der Registrierung zur Folge hat.

 

Das VwG hat die Auffassung vertreten, vorliegend sei eine Betriebsvereinbarung nach § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG abzuschließen gewesen, weil in den von der Videoüberwachung betroffenen Bereichen zwangsläufig auch Mitarbeiter aufgenommen würden. Auch wenn die Videoüberwachung nicht primär darauf abziele, Mitarbeiterdaten zu erfassen, könne eine derartige Datenerfassung nicht wirksam ausgeschlossen werden.

 

Demgegenüber bringt die Revisionswerberin vor, aus der Systematik der §§ 50a ff DSG 2000 iVm § 96a ArbVG ergebe sich, dass im Fall einer intentional auf den Eigentumsschutz gerichteten Videoüberwachung für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung kein Raum verbliebe. Das DSG 2000 anerkenne abseits des Verbotes der Videoüberwachung zum Zweck der Mitarbeiterkontrolle gemäß seinem § 50a Abs 5 Fälle, in denen es zu einer "Befilmung von Arbeitsplätzen und (...) Mitarbeitern" kommen könne. Da diesfalls eine Vorlage von Betriebsvereinbarungen nur vorgesehen sei, "soweit" solche abzuschließen seien, müsse es auch Fälle geben, in denen keine Betriebsvereinbarungen abzuschließen seien. Diese "Drittkategorie" von "betriebsvereinbarungsfreien" Videoüberwachungen sei jene Form, die nur dem Eigentums- und Objektschutz diene. Ein solcher Fall liege gegenständlich vor, weil nur sicherheitssensible Bereiche wie Ein- und Ausgänge, nicht jedoch Arbeitsplätze überwacht würden. Die Videoüberwachung weise keinen Mitarbeiterbezug im dargestellten Sinn auf.

 

Diese Sichtweise werde nach Ansicht der Revisionswerberin auch durch die Standardanwendung SA032 der Standard- und Muster-Verordnung 2004 gedeckt. Demnach seien Videoüberwachungen zum Eigentumsschutz für bestimmte Betriebe ausgenommen, bei denen es typischer Weise zu Eigentumsverletzungen komme. Da somit sogar Videoüberwachungen mit Mitarbeiterbezug von der Verpflichtung zur Vorlage einer Betriebsvereinbarung ausgenommen seien, müssten Videoüberwachungen, die zwar nicht von der Standardanwendung SA032 erfasst seien, aber gleichfalls dem Eigentumsschutz dienten, ebenfalls von dieser Verpflichtung ausgenommen sein, wenn der durch die Standardanwendung SA032 definierte Mitarbeiterbezug - wie vorliegend - nicht überschritten werde.

 

Vorauszuschicken ist, dass Bilddaten wie etwa Videoaufnahmen grundsätzlich vom Begriff der personenbezogenen Daten umfasst sind (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2016, Ro 2015/04/0011, mwN; dass eine Bestimmbarkeit der Identität der erfassten Personen auf Grund der mangelnden Auflösung des Bildes vorliegend nicht möglich sei, wird von der Revisionswerberin nicht behauptet).

 

§ 96a Abs 1 Z 1 ArbVG erfasst Systeme "zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten". Soweit die Revisionswerberin auf den von ihr mit der Videoüberwachung verfolgten Zweck des Objektschutzes verweist, ist dem zu entgegnen, dass die genannte Regelung nicht auf einen bestimmten, vom Arbeitgeber verfolgten Kontrollzweck der Datenanwendung abstellt. Insofern kann eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht pauschal mit dem von der Revisionswerberin als Ziel der Maßnahme ins Treffen geführten Eigentums- bzw Objektschutz begründet werden. Vielmehr ist auf die objektive Eignung der Anwendung abzustellen. Dass die Erfassung von Mitarbeiterdaten gleichsam nur "beiläufig" erfolgt bzw ein "Nebeneffekt" der Videoüberwachung ist, vermag eine Subsumtion unter § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG für sich genommen nicht zu verhindern. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn es das VwG in einer objektiven Betrachtungsweise als relevant ansieht, dass eine Mitarbeitererfassung nicht wirksam ausgeschlossen werden könne.

 

Zu der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Standardanwendung SA032 der Standard- und Muster-Verordnung 2004 ist festzuhalten, dass die Fragen, ob eine Datenanwendung gemäß der Standard- und Muster-Verordnung 2004 von der Registrierungspflicht ausgenommen ist und ob sie einer Betriebsvereinbarung nach § 96a ArbVG bedarf, zwei voneinander zu unterscheidende Beurteilungen erfordern. Schon deshalb können aus einer nach Ansicht der Revisionswerberin der Standardanwendung SA032 innewohnenden Wertung keine Rückschlüsse für die Auslegung des § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG abgeleitet werden.

 

Die Revisionswerberin bringt weiters vor, das VwG habe nicht hinreichend begründet, wieso es davon ausgegangen sei, dass die vorliegende Datenanwendung (iSd § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG) über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person hinausgehe und nicht auf Grund von gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfolge. Nach Ansicht der Revisionswerberin werde als einzige mitarbeiterbezogene Information das Aussehen der Mitarbeiter erfasst. Nur in unsystematischen Anlassfällen (etwa bei einem gemeldeten Diebstahl) würde der Zeitpunkt des Betretens oder Verlassens des "befilmten Bereichs" festgestellt. Zudem erfolge die Datenanwendung vorliegend auf Grund der den Arbeitgeber treffenden Fürsorgepflicht nach § 1157 ABGB, von der auch die vermögensrechtlichen Interessen der Arbeitnehmer erfasst seien.

 

In der Beschwerde wurde ua vorgebracht, dass die Mitarbeiter ihre Arbeitsstätten abseits der "befilmten Bereiche" aufsuchen können und werden. In diesem Zusammenhang wurde die zeugenschaftliche Einvernahme mehrerer informierte Vertreter beantragt. Moniert wurden weiters fehlende Ermittlungen zur Art der ermittelten Daten sowie ein unterbliebenes Eingehen auf den (umfangmäßig eingeschränkten) Eventualantrag.

 

Das VwG hat diesbezüglich - über die Ausführungen im bekämpften Bescheid hinausgehend - festgehalten, dass die überwachten Bereiche von den Mitarbeitern täglich stark frequentiert würden und dies auch für den Eventualantrag gelte. Schon im Hinblick darauf war nicht von vornherein anzunehmen, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nichts zur Klärung der Rechtssache im Hinblick auf angesprochenen Aspekte beitragen kann.