02.12.2018 Verkehrsrecht

VwGH: Geldstrafe iZm Wheelie mit Motorrad

Dem VwG ist zuzustimmen, dass die volle Beherrschbarkeit des Fahrzeuges nur dann gewährleistet ist, wenn sämtliche Räder Kontakt zur Fahrbahn aufweisen; der solcherart vom Gesetzgeber definierten Eigenart des Motorrades widerspricht jedoch klar das hier festgestellte absichtliche Fahren nur auf dem Hinterrad; diese Einsicht ist einem Lenker eines Motorrades, der eine Führerscheinprüfung abzulegen und sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen hat, zuzumuten


Schlagworte: Kraftfahrrecht, Motorrad, absichtliches Fahren auf dem Hinterrad
Gesetze:

 

§ 102 KFG, § 4 KFG, § 2 KFG, § 6 KFG, § 8 KFG, § 14 KFG

 

GZ Ra 2017/02/0201, 21.09.2018

 

VwGH: Nach dem hier in Rede stehenden Gebot des § 102 Abs 3 vierter Satz KFG hat sich der Lenker im Verkehr der Eigenart des Kfz entsprechend zu verhalten. Diese Bestimmung geht im Grunde auf das Kraftfahrgesetz vom 20. Dezember 1929, BGBl Nr 437, zurück, nach dessen § 13 Abs 1 sich der Lenker eines Kfz im Verkehr jederzeit der besonderen Eigenart des Kfz entsprechend zu verhalten hat. Nach den Gesetzesmaterialien steht diese besondere Verkehrsvorschrift iZm der Eigenart des Kfz, weil kein anderes Verkehrsmittel auf der Straße eine solche Geschwindigkeit entfalten kann, wie das Kfz. Demnach bedingt die Eigenart des Kfz und seines Betriebes ein besonderes Verhalten des Lenkers und Besitzers.

 

Zur Auslegung des § 102 Abs 3 vierter Satz KFG sind folgende, aktuell geltende Bestimmungen in den Blick zu nehmen:

 

Gem § 2 Abs 1 Z 4 gilt als Kraftrad ein Fahrzeug mit zwei Rädern oder ein Kfz mit drei Rädern, mit oder ohne Doppelrad. Nach Z 15 leg cit ist ein Motorrad ein einspuriges Kraftrad mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 45 km/h, dessen Antriebsmotor, wenn er ein Hubkolbenmotor ist, einen Hubraum von mehr als 50 cm3 hat.

 

Gem § 4 Abs 2 KFG müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer entstehen.

 

Kfz müssen - abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen - gem § 6 Abs 1 KFG mindestens zwei Bremsanlagen aufweisen, von denen jede aus einer Betätigungseinrichtung, einer Übertragungseinrichtung und den auf Räder wirkenden Bremsen besteht. Bei Krafträdern muss es dem Lenker mit jeder der angeführten Bremsanlangen möglich sein, auch bei höchster zulässiger Belastung des Fahrzeuges, auf allen in Betracht kommenden Steigungen und Gefällen und auch beim Ziehen von Anhängern bei jeder Fahrgeschwindigkeit diese, der jeweiligen Verkehrslage entsprechend, sicher, schnell und auf eine möglichst geringe Entfernung bis zum Stillstand des Fahrzeuges zu verringern und das unbeabsichtigte Abrollen des Fahrzeuges auszuschließen; bei gleichzeitiger Betätigung beider Bremsanlangen müssen alle Räder des Fahrzeuges gebremst werden können (Abs 5 leg cit).

 

Gem § 8 Abs 1 KFG müssen Kfz eine verlässlich wirkende Lenkvorrichtung aufweisen, mit der das Fahrzeug leicht, schnell und sicher gelenkt werden kann.

 

§ 14 Abs 1 KFG verlangt, dass das Fernlicht eine gerade, in der Richtung parallel zur Längsmittelebene des Fahrzeuges verlaufende Straße bei Dunkelheit auf eine große Entfernung ausleuchten und das Abblendlicht, ohne andere Straßenbenützer zu blenden, oder mehr als unvermeidbar zu stören, die Fahrbahn vor dem Fahrzeug ausreichend beleuchten können muss. § 15 Abs 3 leg cit erfordert eine Ausrüstung von Motorrädern mit Fern- und Abblendlicht.

 

Bereits diese aus dem KFG geforderten Eigenschaften eines Motorrades verlangen, dass es aus zwei Rädern besteht, aus dem sachgemäßen Betrieb keine Gefahren für den Lenker und andere Straßenbenützer ausgehen, das Fahrzeug jederzeit gebremst und gelenkt werden kann sowie andere Straßenbenützer nicht geblendet werden. Dem VwG ist zuzustimmen, dass die volle Beherrschbarkeit des Fahrzeuges nur dann gewährleistet ist, wenn sämtliche Räder Kontakt zur Fahrbahn aufweisen. Der solcherart vom Gesetzgeber definierten Eigenart des Motorrades widerspricht jedoch klar das hier festgestellte absichtliche Fahren nur auf dem Hinterrad. Diese Einsicht ist einem Lenker eines Motorrades, der eine Führerscheinprüfung abzulegen und sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen hat, zuzumuten. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers reicht die bloße Möglichkeit, das Vorderrad eines Motorrades während der Fahrt von der Fahrbahn abzuheben, nicht aus, um diese Fahrweise gem dem KFG als der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend anzusehen.

 

Schließlich bewertete auch der OGH die hier in Rede stehende Fahrweise (Wheelie) als besonders krasses Fehlverhalten (OGH 30.7.2013, 2 Ob 128/13g).

 

Der aus der Sicht des VwGH klare und eindeutige Gesetzeswortlaut des § 102 Abs 3 vierter Satz KFG, an dem sich das VwG orientierte, steht somit der Zulässigkeit der Revision entgegen.