22.11.2002 Gesetzgebung

Ministerialentwurf zum internationalen Insolvenzrecht


Der Entwurf zu einem Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht (IIRG) soll die EU-Richtlinien 2001/17/EG und 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen bzw. Kreditinstituten ins österreichische Recht umsetzen (Umsetzungsfristen sind der 19.04.2003 bzw. 05.05.2004). Die berühmten "Grundfreiheiten" sollen zwar zur Kapitalsverkehrsfreiheit, nicht aber zur Kapitalflucht führen - jedenfalls nicht dort, wo schutzwürdige Gläubigerinteressen betroffen sind. Dazu müssen detaillierte österreichische Regelungen über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten ins österreichische Recht geschaffen werden - diese sollen in einem neuen Vierten Teil der Konkursordnung mit der Bezeichnung "Internationales Insolvenzrecht" zusammengefasst werden.

Außerdem sollen allgemeine Regelungen vor allem für die Einbeziehung von Auslandsvermögen und die Anerkennung ausländischer Insolvenzen geschaffen werden.

Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung erstreckt sich nämlich die Wirkung eines inländischen Konkurses nur insoweit auf im Ausland befindliches Vermögen als internationale Rechtsakte diese "Auslandswirkung" stützen. Dies unter anderem mit der Konsequenz, dass - außerhalb der EU - ein österreichischer Masseverwalter nicht auf das im Ausland des Gemeinschuldners gelegene Vermögen greifen kann, sondern im Gegenteil der in Konkurs verfallene Gemeinschuldner weiterhin selbst darüber verfügen darf. Gemäß dem "Gegenseitigkeitsprinzip" ist umgekehrt auch die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren in Österreich vom Bestehen entsprechender Staatsverträge abhängig.

Der Gesetzesentwurf sieht diesbezüglich vor, dass sich die Wirkungen eines in Österreich eröffneten Konkurses auch ohne Staatsvertrag auf das im Ausland gelegene Vermögen erstrecken. Dafür werden ausländische Insolvenzverfahren in Österreich anerkannt, wenn das Insolvenzverfahren einem österreichischen vergleichbar ist.

Jedenfalls soll aber ein ausländisches Insolvenzverfahren nicht der Eröffnung eines Konkurses in Österreich entgegenstehen, umgekehrt jedoch ein ausländisches Verfahren nicht anerkannt werden, soweit in Österreich bereits ein Konkurs eröffnet wurde (ob das aus der Sicht der Reziprozität vertretbar scheint, wird das Begutachtungsverfahren zeigen, das am 20. Dezember 2002 endet).

Zu den wesentlichen Punkten des Entwurfs im einzelnen:

§§ 96 und 190 KO: eine Beauftragung von Vollstreckungsorganen mit der Inventarisierung soll nur mehr im Bereich der Eigenverwaltung möglich sein - das Inventar soll vom Masseverwalter selbst errichtet werden (Entlastung der Gerichte)

§ 120b KO: den Masseverwaltern soll der vertragliche Ausschluss der Gewährleistung ermöglicht werden (bis jetzt konkurrieren oft ein zivilrechtliches (s. KSchG) Ausschlussverbot mit der konkursrechtlichen Unmöglichkeit, für Gewährleistungsansprüche vorzusorgen - das führt häufig dazu, dass der Masseverwalter gerichtlich (ergo frei von Gewährleistungspflichten) verwertet, obwohl bei einer freihändigen (den zivilrechtlichen Gewährleistungspflichten unterworfenen) Verwertung ein weit höherer Erlös zu erzielen wäre).

§128 KO: die Forderungen ausländischer Gläubiger, die bereits aus einem ausländischen Insolvenzverfahren berücksichtigt wurden, sollen erst an der Verteilung teilhaben, wenn die anderen Gläubiger die gleiche Quote erlangt haben - bestehende Rangordnungen sind zu berücksichtigen

§ 180 KO. soll entfallen (regelt die Wirkung ausländischer Insolvenzverfahren im Rahmen von Staatsverträgen)

§§ 217 bis 245 KO: der (neue) Vierte Teil der Konkursordnung soll die Überschrift "Internationales Insolvenzrecht" tragen und in zwei Hauptstücke gegliedert werden:

Ins erste Hauptstück sollen die allgemeinen Regeln über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren einfließen - im zweiten Hauptstück sollen die oben näher beschriebenen Richtlinien für Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute umgesetzt werden:

- für Insolvenzverfahren soll bezüglich der Voraussetzungen zur Eröffnung und ihre Wirkung generell das Recht desjenigen Staates gelten, in dem der Verfahren eröffnet wurde - Modifikationen sind dort vorgesehen, wo z.B. ausländische Liegenschaften betroffen sind (Verweis auf die lex rei sitae)

- die Wirkung österreichischer Konkursverfahren erstreckt sich auch auf im Ausland gelegenes Vermögen - dafür werden auch ausländische Konkursverfahren anerkannt. Dies jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen (so wird eine ausländische Insolvenz nur anerkannt, wenn der ausländische Staat zur Eröffnung nach österreichischen Gesichtspunkten berechtigt war, z.B. der Gemeinschuldner seinen Interessensmittelpunkt im betreffenden Staat hatte; das Verfahren muss mit dem österreichischen vergleichbar sein, etc.).

- wenn sich der Interessensmittelpunkt des Gemeinschuldners im Ausland befindet und dort ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, soll sich die Wirkung des österreichischen Insolvenzverfahren nicht auf das in diesen Staat befindliche Vermögen erstrecken, wenn es in das ausländische Insolvenzverfahren einbezogen wird

- dingliche Rechte an Auslandsvermögen sollen unberührt bleiben

- der Gemeinschuldner soll verpflichtet werden, an der Verwertung des ausländischen Vermögens mitzuwirken - dadurch soll er dort, wo es aufgrund der ausländischen Regelungen nötig ist, verhalten werden, den Masseverwalter zu bevollmächtigen bzw. das Erlangte unter Abzug seiner Aufwendungen an die Konkursmasse herauszugeben

- alle Gläubiger können ihre Forderungen unabhängig von (Wohn)Sitz oder Staatsangehörigkeit anmelden - dies ist nur eine im Hinblick auf den Grundsatz der Reziprozität getroffene Klarstellung der bereits bestehenden Rechtslage

- grundsätzlich soll zu Eröffnung eines Liquidationsverfahrens über ein Kredit- oder Versicherungsunternehmen jener Staat zuständig sein, der das (Versicherungs- bzw. Kredit)Unternehmen zugelassen hat - es ist daher auch das Recht des Zulassungsstaates anzuwenden. (Bei Kredit- und Versicherungsinstituten außerhalb der EU können mehrere Insolvenzverfahren zur Anwendung kommen - die jeweiligen Gerichte und Liquidatoren haben ihr Vorgehen dann abzustimmen).

- für Kredit- und Versicherungsinstitute werden außerdem insbesondere Auskunfts- und Verständigungspflichten normiert - so sollen die Aufsichtsbehörden von jeder beabsichtigten Liquidationseröffnung informiert werden und die Finanzmarktaufsichtsbehörden sollen eine Ausfertigung des Konkursedikts erhalten

- der Masseverwalter wird verpflichtet, die Liquidationseröffnung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften sowie in überregionalen Zeitungen zu veröffentlichen - auf Antrag des Liquidators ist der Konkurs auch in den Grundbüchern und Handelsregistern aller Mitgliedsstaaten ersichtlich zu machen

- die Eröffnung eines Liquidationsverfahrens über das Vermögen eines Kreditinstitutes oder Versicherungsunternehmens eines Mitgliedsstaates ist in Österreich anzuerkennen

Der vorliegende Entwurf deckt sich übrigens weitestgehend mit dem Text der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren - trotz der unmittelbaren Wirkung von EU-Verordnungen ist eine nationale Umsetzung, wie im Entwurf vorgesehen, nötig, da Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ausdrücklich nicht in den Wirkungsbereich der VO fallen.

Wir werden spätestens bei Kundmachung des Gesetzes wieder berichten.