08.10.2012 Zivilrecht

OGH: Schenkungspflichtteil – zum Einfluss eines Verfahrens wegen Zahlung des Pflichtteils gegen den Erben auf die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegenüber dem Geschenknehmer

Dass der Kläger in der Annahme, sein Pflichtteilsergänzungsanspruch sei im reinen Nachlass gedeckt, zunächst nur gegen den eingeantworteten Erben einen Prozess führte und nach mehrjähriger Verfahrensdauer einen Vergleich schloss, der nach seinen Behauptungen nicht den gesamten Schenkungspflichtteil abdeckte, hat keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, die nach hM als objektive, von der subjektiven Einschätzung des Noterben der Berechtigung seines Anspruchs unabhängige Frist konzipiert ist


Schlagworte: Erbrecht, Schenkungspflichtteil, Schenkungsanrechnung, Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegenüber dem Geschenknehmer
Gesetze:

§ 785 ABGB, § 951 ABGB, § 1487 ABGB

GZ 1 Ob 139/12s, 06.09.2012

 

OGH: Unstrittig ist, dass für den hier geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Ergänzung seines gesetzlichen Pflichtteils durch Anrechnung von Schenkungen (Schenkungspflichtteil) gegen den Beschenkten (§ 951 Abs 1 ABGB) die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB gilt. Streitpunkt ist nur der Zeitpunkt ihres Beginns.

 

Ein direkter Anspruch gegen den Geschenknehmer wegen Verkürzung des Pflichtteils (§ 951 Abs 1 ABGB) setzt voraus, dass der Pflichtteil im Nachlass keine Deckung findet. Der Kläger ist der Ansicht, dass aufgrund dieser nur subsidiären Haftung des Beschenkten die dreijährige Verjährungsfrist erst zu laufen beginne, wenn der Anspruch auch gegen den Erben feststehe, wie durch ein allfälliges Anerkennen nach Anmeldung/Protokollierung der Anrechnung im Verlassenschaftsverfahren oder ein Anerkenntnis oder ein rechtskräftiges Urteil. Für seine Rechtsansicht vermag er allerdings keine gesetzliche Grundlage anzuführen, worauf schon das Berufungsgericht hinwies, ebensowenig Rsp oder Lehre. Mit dieser Einzelmeinung zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf.

 

Es ist zwar richtig, dass die hier strittige Frage des Verjährungsbeginns nicht einhellig beantwortet wurde. Der OGH hat in einer jüngeren Entscheidung für den hier gegebenen Fall der testamentarischen Erbfolge ausgesprochen, dass der Anspruch nach § 951 Abs 1 ABGB nach Ablauf von drei Jahren nach Kundmachung des Testaments verjähre (4 Ob 222/09i). Andere Entscheidungen setzen den Beginn der Verjährung hingegen mit dem Tod des Schenkers an (6 Ob 202/67; 3 Ob 111/07f). Das neue AußStrG, BGBl I 2003/111, das nach seinem § 205 auf das Verfahren über die Verlassenschaft nach der Mutter der Streitteile anzuwenden war, ersetzte die Kundmachung des Testaments durch die Errichtung des Übernahmeprotokolls (§ 152 AußStrG). Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zur Geltendmachung des gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs nach der Judikatur mit der Errichtung des Übernahmeprotokolls. Nach der vom OGH in der Entscheidung 10 Ob 340/97s abgelehnten Ansicht Rabers sei für den Beginn der Frist zur Geltendmachung sowohl des Anspruchs nach § 951 Abs 1 ABGB als auch jenes gegen den Nachlass bzw den Erben auf den Zeitpunkt des „Kennenkönnens“ einer anrechenbaren Schenkung abzustellen. Erforderlich seien die erst durch die Testamentseröffnung erworbene Kenntnis des Noterben, wieviel ihm der Erblasser von Todes wegen hinterlassen habe, sowie das Wissen von der anzurechnenden Schenkung, um die Höhe des Nachlasses vermehrt um den Wert des Geschenks zu berechnen und damit die Grundlage für einen Vergleich des ihm letztwillig tatsächlich Hinterlassenen mit dem ihm rechtlich zustehenden Pflichtteil ziehen zu können. IdR werde dafür ein Inventar und seine Zugänglichkeit für den Noterben oder wenigstens das eidesstättige Vermögensbekenntnis Voraussetzung sein. Kralik lässt die Verjährung zur Geltendmachung des Schenkungspflichtteils frühestens mit Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Erblassers bzw mit der Kundmachung der letztwilligen Verfügung, sollte diese zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein, beginnen. Umlauft ist der Ansicht, dass die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 951 Abs 1 ABGB erst mit Annahme der Erbserklärungen (nunmehr: Erbantrittserklärungen) zu Gericht bzw im Fall eines Erbrechtsstreits erst mit dessen rechtskräftigem Abschluss in Gang gesetzt werde. Für eine (nicht § 951 Abs 1 ABGB unterliegende) „Pflichtteilsergänzungsklage“ stellte der OGH in der Entscheidung 1 Ob 200/06b auf den rechtskräftigen Abschluss von anhängigen Erbrechtsstreitigkeiten ab, weil die Einbringung der Pflichtteilsergänzungsklage vor diesem Zeitpunkt nach objektiven Gesichtspunkten unvernünftig sei.

 

Nach dem AußStrG 2003 hat die Entscheidung über das Erbrecht nicht mehr in einem streitigen Erbrechtsprozess, sondern im Verlassenschaftsverfahren zu erfolgen (§§ 161 ff AußStrG). Ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss eines im streitigen Verfahren geführten Erbrechtsstreits kam schon deshalb nicht in Betracht. Dass es im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens Auseinandersetzungen um das Erbrecht gegeben hätte, behauptet der Kläger nicht. Er geht vielmehr selbst (in der Revision) davon aus, dass das Testament nie strittig gewesen sei. Die Übernahme des Testaments der im Mai 2007 verstorbenen Erblasserin und die Errichtung des Übernahmeprotokolls erfolgte am 29. 6. 2007. Bereits während des Verlassenschaftsverfahrens, das mit der Einantwortung des Nachlasses an den im Testament eingesetzten Alleinerben mit Beschluss vom 4. 8. 2008 beendet wurde, forderte der Kläger die Anrechnung der Schenkungen der Erblasserin an die Beklagte, was seine Kenntnis von der Tatsache der Schenkung voraussetzte. Anzumerken ist, dass das Inventar, das den reinen Nachlass auswies und ihm die Möglichkeit eröffnete, den gesetzlichen Pflichtteil (ohne Berücksichtigung der Schenkungen) zu berechnen, nach seinem eigenen Vorbringen in seiner Berufung am 19. 6. 2008 errichtet worden war.

 

Der erst am 10. 8. 2011 eingeklagte Anspruch auf den Schenkungspflichtteil nach § 951 Abs 1 ABGB ist daher verjährt, unabhängig davon, auf welchen in LuRsp diskutierten Zeitpunkt des Beginns der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB man abstellt. Dass der Kläger in der Annahme, sein Pflichtteilsergänzungsanspruch sei im reinen Nachlass gedeckt, zunächst nur gegen den eingeantworteten Erben einen Prozess führte und nach mehrjähriger Verfahrensdauer einen Vergleich schloss, der nach seinen Behauptungen nicht den gesamten Schenkungspflichtteil abdeckte, hat keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, die nach hM als objektive, von der subjektiven Einschätzung des Noterben der Berechtigung seines Anspruchs unabhängige Frist konzipiert ist.