07.01.2013 Zivilrecht

OGH: Konkludente Willenserklärungen nach § 863 ABGB

Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist


Schlagworte: Schlüssige Willenserklärungen
Gesetze:

§ 863 ABGB

GZ 1 Ob 17/12z, 22.06.2012

 

OGH: Willenserklärungen können ausdrücklich abgegeben werden; sie können sich aber auch aus einem Handeln mit entsprechender Erklärungsbedeutung sowie aus einem Schweigen ergeben (§ 863 Abs 1 ABGB). An schlüssige Willenserklärungen legt § 863 Abs 1 zweiter Halbsatz ABGB einen strengen Maßstab an. Danach darf kein vernünftiger Grund übrig bleiben, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgenwille des (schlüssig) Erklärenden in eine bestimmte Richtung besteht. Ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärungen stehen generell gleich.

 

Sowohl für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, als auch für die Bestimmung ihres Inhalts ist nicht der wahre Wille des Erklärenden, sondern entsprechend der Vertrauenstheorie der Empfängerhorizont maßgeblich. Die Bedeutung einer Erklärung richtet sich danach, wie sie der Empfänger nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen musste. Es kommt also auf den objektiven Erklärungswert und nicht auf den Erklärungswillen des Erklärenden an. Es ist darauf abzustellen, ob der Erklärungsempfänger einen rechtsgeschäftlichen Willen erschließen durfte und erschlossen hat.

 

Für die Annahme der von der Beklagten geltend gemachten einvernehmlichen Vertragsauflösung ist daher entscheidend, wie sie bei sorgfältiger Deutung aller Umstände das Verhalten der Klägerin und deren Erklärungen bei Beendigung der Geschäftsbeziehung der Streitteile nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen verstehen durfte und auch verstand. Ohne Bedeutung ist hingegen, wie die Klägerin ihr eigenes Verhalten verstand oder verstanden wissen wollte.