28.01.2013 Zivilrecht

OGH: Scheingeschäft und Umgehungsgeschäft

Ein Umgehungsgeschäft ist nur dann ungültig, wenn das primär angestrebte, also umgangene Rechtsgeschäft verboten ist und der Verbotszweck das Umweggeschäft mit erfasst; ob von Vertragsteilen Erklärungen nur zum Schein abgegeben wurden, ist keine Rechts-, sondern eine vor dem OGH nicht mehr überprüfbare Tatsachenfrage


Schlagworte: Scheingeschäft, Umgehungsgeschäft
Gesetze:

§ 916 ABGB, § 879 ABGB

GZ 8 ObA 82/11h, 26.07.2012

 

OGH: Nach § 916 ABGB ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird, nichtig („absolutes“ Scheingschäft). Soll dadurch aber ein anderes („verdecktes“) Geschäft verborgen werden, bleibt dieses grundsätzlich gültig und ist nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen. Maßgeblich ist der übereinstimmende tatsächliche Parteiwille.

 

In diesem Sinn lässt etwa eine zwecks Gebühren- und Steuerhinterziehung zum Schein reduzierte Entgeltfestsetzung die Durchsetzung des verdeckt vereinbarten vollen Entgeltanspruchs zu, selbst wenn die Scheingeschäftshandlung als solche strafbar wäre.

 

Im Unterschied zum Scheingeschäft, dessen Gestaltung bloß vorgetäuscht ist, ist ein Umgehungsgeschäft von den Parteien gewollt und es wird tatsächlich realisiert, allerdings zu dem Zweck, den wirtschaftlichen Erfolg eines anderen Geschäfts herbeizuführen. Das umgangene Geschäft muss keineswegs verboten sein, sondern kann auch aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen von den Vertragsteilen nicht gewollt werden.

 

Ein Umgehungsgeschäft ist - entgegen der nicht näher spezifizierten Ansicht des Berufungsgerichts - nur dann ungültig, wenn das primär angestrebte, also umgangene Rechtsgeschäft verboten ist und der Verbotszweck das Umweggeschäft mit erfasst. Es unterliegt der Inhaltskontrolle des § 879 ABGB in Bezug auf Gesetz- und Sittenwidrigkeit.

 

Ob von Vertragsteilen Erklärungen nur zum Schein abgegeben wurden, ist keine Rechts-, sondern eine vor dem OGH nicht mehr überprüfbare Tatsachenfrage.

 

Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen hat die Klägerin mit der durch ihren Geschäftsführer vertretenen Beklagten vor Beginn ihrer Tätigkeit mündlich einen Dienstvertrag als Chefärztin mit einem Jahresbruttogehalt von 120.000 EUR und einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden geschlossen („verdecktes“ Geschäft).

 

Sowohl der spätere schriftliche Werkvertrag zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als selbständiger Wahlarzt über die Leistung von Ordinationsvertretungen, als auch ein schriftlicher Dienstvertrag mit der Beklagten über ein Beschäftigungsausmaß von 30 Wochenstunden bei einem Bruttoentgelt von nur 53.522 EUR jährlich wurden nach den Feststellungen nur zum Schein abgegeben, eine tatsächliche Umsetzung war von den Parteien nicht gewollt.

 

Dieser Sachverhalt führt jedoch zu dem letztlich auch vom Berufungsgericht erzielten Ergebnis, dass die Rechtsbeziehungen der Streitteile nicht nach dem Inhalt der - nichtigen - Scheingeschäfte, sondern nur nach dem verdeckten Geschäft, dem mündlichen Dienstvertrag, zu beurteilen sind. Gründe, aus denen dieser Dienstvertrag einen unerlaubten Inhalt haben sollte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Die Frage, ob die Beklagte und deren Geschäftsführer den Patienten ambulante oder stationäre Leistungen erbringen dürfen und wer welche erbrachten Leistungen wie abrechnet, haben weder mit dem vereinbarten Ausmaß der Wochenarbeitszeit der Chefärztin noch mit deren Gehalt etwas zu tun.