10.03.2011 Verfahrensrecht

OGH: Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen gem §§ 117 ff AußStrG

Der Betroffene muss grundsätzlich selbst darüber entscheiden können, ob er einen selbst gewählten Rechtsanwalt oder Notar mit seiner Vertretung betraut oder ob er sich vom Verfahrenssachwalter vertreten lassen will; für eine wirksame Bevollmächtigung ist aber Voraussetzung, dass die betroffene Person bei der Vollmachtserteilung fähig war, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen


Schlagworte: Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen, Verfahrenssachwalter, einstweilige Sachwalter, Bevollmächtigung, Einsichtsfähigkeit, Sachverständigengutachten
Gesetze:

§§ 117 ff AußStrG

GZ 6 Ob 240/10b, 28.01.2011

OGH: Grundsätzlich wird der Betroffene durch die Bestellung eines Verfahrenssachwalters in seinen Rechtshandlungen nicht beschränkt und bleibt selbständig verfahrensfähig. Dies bedeutet, dass er grundsätzlich auch selbst darüber entscheiden können muss, ob er einen selbst gewählten Rechtsanwalt oder Notar mit seiner Vertretung betraut oder ob er sich vom Verfahrenssachwalter vertreten lassen will.

Für eine wirksame Bevollmächtigung ist aber nach stRsp Voraussetzung, dass die betroffene Person bei der Vollmachtserteilung fähig war, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen. Nur bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis ist die Bevollmächtigung unwirksam.

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung folgt daher aus der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters noch keineswegs, dass dem Betroffenen die erforderliche Einsichtsfähigkeit auch für die Erteilung einer wirksamen Vollmacht fehlt. Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht nach Durchführung eines Beweisverfahrens und Einholung eines Sachverständigengutachtens die erforderliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen verneint. Ob die betroffene Person im Einzelfall bei der Vollmachtserteilung fähig war, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen, bildet keine erhebliche Rechtsfrage. An dieser Rsp ist auch nach Inkrafttreten des neuen AußStrG festzuhalten, weil dessen §§ 119 und 120 im Wesentlichen § 238 AußStrG 1854 entsprechen. Der Frage der wirksamen Bevollmächtigung der H & W Rechtsanwälte OG durch den Betroffenen kommt somit keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu.

Einen wesentlichen Verfahrensmangel vermag der Betroffene nicht aufzuzeigen. Die Verfahrensergänzung durch das Rekursgericht ist im Gesetz ausdrücklich vorgesehen (vgl § 57 AußStrG e contrario); dem Betroffenen wurde auch die Möglichkeit einer Stellungnahme zum vom Rekursgericht eingeholten Sachverständigengutachten eingeräumt.

Dabei bedeutet es auch keinen Widerspruch, dass das Rekursgericht über Anträge der Vertreter des Betroffenen inhaltlich entschieden hat, obwohl es die Wirksamkeit der Bevollmächtigung mangels erforderlicher Einsichtsfähigkeit des Betroffenen verneinte. Nach völlig einhelliger Auffassung in LuRsp ist nämlich im Streit um die Partei- und Prozessfähigkeit der Betreffende als partei- und prozessfähig zu behandeln. Dies gilt auch für die Frage des Vorliegens von Vertretungsmacht.