23.10.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Pauschalvergütung nach § 8 Abs 1 PatG bei gleichzeitigem Verzicht auf weitere Ansprüche?

Der Abschluss einer pauschalen Vergütungsvereinbarung für eine Diensterfindung nach deren Meldung bei aufrechtem Dienstverhältnis ist zulässig und grundsätzlich wirksam; eine darin enthaltene Verzichtsklausel hindert jedoch in Anbetracht § 17 PatG die nachträgliche Anpassung der Vergleichssumme unter den Bedingungen des § 10 PatG nicht


Schlagworte: Patentrecht, Pauschalvergütung, Verzichtsklausel
Gesetze:

§ 8 PatG, § 17 PatG, § 10 PatG

GZ 9 ObA 39/08p, 04.08.2009

Die Beklagte bezahlte dem (bei ihr beschäftigten) Kläger für eine patentierte Erfindung eine Pauschalvergütung gem § 8 Abs 1 PatG. Der Kläger unterfertigte dazu über Veranlassung der Beklagten eine schriftliche Vereinbarung, in der er erklärte, mit einer Vergütung in dieser Höhe einverstanden zu sein und auf jegliche weitere Ansprüche in diesem Zusammenhang zu verzichten.

OGH: Zutreffend hat das Berufungsgericht zwar hervorgehoben, dass § 17 PatG eine spezialgesetzliche Ausprägung der das ganze Arbeitsrecht durchziehenden Schutzfunktion gesetzlicher Vorschriften zugunsten des Arbeitnehmers ist und der Gesetzgeber damit den Arbeitnehmer als den regelmäßig sozial und wirtschaftlich schwächeren Partner des Arbeitsvertrags vor unüberlegten, voreiligen oder durch Sorge um den Arbeitsplatz oder um die Arbeitsbedingungen beeinflussten Zugeständnissen (Drucktheorie) mit der Folge unangemessener Vertragsgestaltungen und einer Verschlechterung der eigenen Rechtsposition bewahren will. Dem Umstand, dass sich auch eine erst nach Inanspruchnahme der Erfindung vereinbarte Pauschalvergütung je nach den Umständen für den Dienstnehmer als günstig oder als ungünstig erweisen kann, trägt aber § 10 PatG mit der Möglichkeit einer rückwirkenden Anpassung im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse Rechnung. Diese Anpassung ist wegen des Ausschlusses der Rückforderung bei bereits bezahlten oder wenigstens fälligen Pauschalabfindungen nur zu Gunsten des Arbeitnehmers möglich.

Nach der Rechtsprechung liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iSd § 10 PatG nicht erst dann vor, wenn unvorhergesehene Entwicklungen eintreten. Es genügt vielmehr, wenn diese schon seinerzeit bestehenden, ein Missverhältnis der Leistungen begründenden Verhältnisse erst nachträglich bewiesen werden können, wobei es auch keine Rolle spielt, ob der Dienstnehmer schon damals von den sich erst später herausstellenden Auswirkungen seiner Erfindung überzeugt gewesen sein mag. Der Sinn der Bestimmung des § 10 PatG liegt gerade darin, dass die Vergütung, die unter der Annahme abweichender Verhältnisse geringer als gebührend festgelegt worden ist, ihrem wahren Wert entsprechend nachträglich honoriert werden soll. Für eine Pauschalvergütung an Stelle jährlicher Zahlungen können beachtliche Interessen auf Seiten des Erfinders sprechen, insbesondere kann er sofort über eine größere Geldsumme verfügen und muss auch keine Schmälerung seines Anspruchs durch nachträgliche Anpassung hinnehmen, wenn ungünstige Entwicklungen die Erfindung noch vor Ende der Schutzfrist entwerten.

Der Abschluss der vorliegenden Pauschalvereinbarung war daher während des aufrechten Dienstverhältnisses des Klägers zulässig und wirksam. Die darin enthaltene Verzichtsklausel steht jedoch wegen § 17 PatG einer nachträglichen Anpassung der Vergleichssumme unter den Bedingungen des § 10 PatG nicht im Weg. Die Anpassung ist auch dann zulässig, wenn der Kläger bereits bei Abschluss des Vergleichs von einem weit höheren betrieblichen Nutzen seiner Erfindung ausgegangen ist als die Beklagte, aber die Richtigkeit seiner Annahmen erst nachträglich beweisbar geworden ist.

Für die Beurteilung, wie die dem Erfinder nach § 8 PatG zustehende besondere Vergütung zu ermitteln ist, bietet der Gesetzgeber bewusst nur sehr allgemein gehaltene Richtlinien an. Dahinter steht die Befürchtung, starre, kasuistische Berechnungsmethoden könnten den vielfältigen wirtschaftlichen Gegebenheiten und den besonderen Umständen des Einzelfalls, auf die im § 9 PatG ausdrücklich verwiesen wird, nicht Rechnung tragen.

Die gerichtliche Festsetzung der Höhe einer Erfindervergütung ist daher ein Fall der Anwendung des § 273 ZPO, wobei auf die in § 9 PatG beispielsweise vorgezeichneten Umstände und alle sonstigen Momente, die für die Beurteilung aus wirtschaftlichen und aus anderen iZm der Erfindung stehenden Gründen bedeutungsvoll sind, Bedacht zu nehmen ist. Die Vergütung soll letztlich dem Gesamtwert der Erfindung während des Schutzzeitraums entsprechen.

Das Bestehen gleichwertiger patentfreier Alternativverfahren schließt zwar den Vergütungsanspruch nicht dem Grunde nach aus, wohl aber hat es Einfluss auf den wirtschaftlichen Wert der Erfindung für das Unternehmen und damit in weiterer Folge auf die angemessene Höhe des Vergütungsanspruchs. So liegt es auf der Hand, dass für eine Erfindung, der annähernd gleichwertige lizenzfreie Alternativen gegenüberstehen, auf dem freien Markt eine geringere Lizenzgebühr erzielbar sein wird als für eine technisch alleinstehende Erfindung. Dies hat bei Anwendbarkeit des Berechnungsverfahrens der "Lizenzanalogie" unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe des Vergütungsanspruchs. Allerdings gibt der Unternehmer durch die Inanspruchnahme der Erfindung des Dienstnehmers an Stelle der möglichen Alternativen grundsätzlich zu erkennen, dass er ihr gegenüber diesen einen Vorzug einräumt. Steht fest, dass die Erfindung für das Unternehmen zumindest einen innerbetrieblichen Nutzen hat, kann sich der Dienstgeber einer Vergütungspflicht nicht entziehen. Als erfindungskausal maßgeblich wird aber nur jener tatsächliche Nutzen sein können, der unter Berücksichtigung der jeweiligen Kosten - einschließlich der Erfindervergütung - den Umständen des Einzelfalls nach über jenen hinausgeht, der auch mit einem verfügbaren und einsetzbaren alternativen Verfahren erzielt worden wäre.