OGH: Zur Frage, ob der Informationsanspruch des Gesellschafters gegenüber einer GmbH auch das Recht umfasst, Ablichtungen und/oder digitale Fotografien herzustellen
Der Informationsanspruch umfasst grundsätzlich auch das Recht, Kopien in Form von Digitalfotografien anzufertigen
§ 22 Abs 2 GmbHG, § 93 Abs 4 GmbHG
GZ 6 Ob 175/10v, 17.12.2010
OGH: Die Antragsgegnerin bekämpft in ihrem Revisionsrekurs nicht, dass den Antragstellern grundsätzlich das Recht zusteht, in die von ihnen geforderten Unterlagen Einsicht zu nehmen und "gegebenenfalls von einzelnen, bedenklichen Unterlagen Kopien" zu nehmen. Einer Auseinandersetzung mit der von Koppensteiner/Rüffler gegen die stRsp des OGH geäußerten Kritik bedarf es somit nicht; nach dieser Rsp stehen den Gesellschaftern einer GmbH auch außerhalb der Hauptversammlung umfassende Informationsrechte zu.
Der OGH hat in der E 6 Ob 11/08y den außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung eines Rekursgerichts zurückgewiesen, mit der einer Gesellschafterin einer GmbH Einsicht in "alle Bücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen [...] und die Herstellung von Abschriften und Fotokopien davon" gewährt wurde. Auch wenn sich der OGH in dieser Entscheidung mit der hier vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage nicht näher auseinander zu setzen hatte, so entsprach das dargestellte Ergebnis doch der - soweit ersichtlich - völlig einhelligen Auffassung. Die Antragsgegnerin geht in ihrem Revisionsrekurs aber durchaus zutreffend selbst davon aus, dass die Herstellung von Fotokopien in Form von Digitalfotografien der Ablichtung der Urkunden entspricht.
Der OGH hat zwar in mehreren Entscheidungen (zuletzt 3 Ob 194/09i) ausgesprochen, ein nur auf Gewährung der Einsicht in die Belege eines bestimmten Jahres lautender Exekutionstitel verschaffe der einsichtsberechtigten Partei keinen (exekutiv durchsetzbaren) Anspruch auf Herstellung digitaler Fotografien der eingesehenen Urkunden. Dabei ging es jedoch nur um die Auslegung des Exekutionstitels, nicht jedoch um die materielle Berechtigung des Gesellschafters.
Die Antragsgegnerin unterstellt in ihrem Revisionsrekurs, dass eine Ablichtung des gesamten Rechnungswesens der Gesellschaft "rechtsmissbräuchlich gesellschaftsfremden Zwecken dienen soll", ihr dadurch die "Möglichkeit [genommen werde,] die Verbreitung dieser Daten zu kontrollieren", "Missbrauch [zu] befürchten" sei, die "Gesellschaft zu Recht ihr Geheimhaltungsinteresse gefährdet" sehe und dem "ein Riegel vorzuschieben" sei. Sie übersieht damit aber die ausdrücklichen Feststellungen der Vorinstanzen, es sei "keinerlei Hinweis dafür gegeben, dass die beiden Antragsteller ihr Informationsbegehren in rechtsmissbräuchlicher Absicht geltend machen" oder "dass zu besorgen sei, die Antragsteller würden angefertigte Kopien in Form von Digitalfotografien zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden". Nach stRsp wäre jedoch genau dies der Maßstab, an dem die Inanspruchnahme des Individualrechts des Gesellschafters auf Information zu messen wäre.
Die Antragsgegnerin unterlässt es in ihrem Revisionsrekurs, konkrete Umstände darzulegen, weshalb ihre Interessen durch die Anfertigung von Digitalfotografien ihres Rechnungswesens durch die Antragsteller gefährdet werden könnten; sie beschränkt sich auf allgemein gehaltene Ausführungen. Damit haben aber die Vorinstanzen jedenfalls im vorliegenden Verfahren dem "Einsichtsbegehren" zu Recht stattgegeben.