10.12.2005 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Eine Wissenserklärung bewirkt regelmäßig nicht den Abschluss eines Rechtsgeschäftes; für die Abgrenzung einer Willenserklärung von einer bloßen Wissenserklärung ist nicht der Wille der einen oder anderen Partei maßgeblich, sondern der objektive Erklärungswert


Schlagworte: Vertragsrecht, Kündigung, wirksam, Irrtum, Auflösung
Gesetze:

§ 105 ArbVG, § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG, § 871 ABGB, §§ 914ff ABGB

In seinem Beschluss vom 06.10.2005 zur GZ 8 ObA 34/05s hatte sich der OGH mit der Auslegung einer Abwicklungsvereinbarung auseinander zu setzen:

Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt und erhielt am 27.9.2002 ein Kündigungsschreiben mit einer Kündigung zum 31.12.2002. Das betriebliche Vorverfahren (§ 105 ArbVG) war nicht eingehalten. Dies war dem Kläger nicht bekannt; die Beklagte hatte diesbezügliche Zweifel. Es wurden Verhandlungen über die Ansprüche aus der Beendigung geführt; über die Form der Beendigung wurde nicht gesprochen. Das Ergebnis wurde in einer "Abwicklungsvereinbarung" festgehalten: "Die Parteien sind sich einig, dass das Dienstverhältnis einvernehmlich mit Ablauf des 31.12.2002 endet, ohne dass es einer weiteren Kündigung bedarf...". Der Kläger bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung per 31.12.2002 (mangels betriebl. Vorverfahrens) und macht Ansprüche bis zum 30.6.2003 (aufgrund der Eventualkündigung der Beklagten) geltend. Eine einvernehmliche Auflösung per 31.12.2002 sei nie vereinbart worden.

Der OGH führte dazu aus: Für die Auslegung der gegenständlichen Vereinbarung (bloße Wissenserklärung hinsichtlich einer bereits stattgefundenen Kündigung oder Umwandlung in eine einvernehmliche Auflösung) sei relevant, wie die Äußerungen vom Erklärungsempfänger nach den Umständen objektiv zu verstehen seien. In der Vereinbarung selbst werde nur "einvernehmlich" festgehalten, dass das Dienstverhältnis "ende". Durch die Formulierung "es bedürfe keiner ‚weiteren’ Kündigung" werde doch bereits auf eine vorhandene Kündigung verwiesen. Ebenso sei aus der Titulierung "Abwicklungsvereinbarung" darauf zu schließen, dass lediglich Ansprüche aus der Kündigung geregelt würden. Gewollt war jedenfalls eine "wirksame" Kündigung per 31.12.2002, weshalb die "Wirksamkeit" zum Geschäftsinhalt der Vereinbarung und damit einer Irrtumsanfechtung zugänglich geworden sei.