30.12.2010 Strafrecht

OGH: Antrag des Privatklägers auf Abschöpfung der Bereicherung von unbekannten Tätern und Dritten gem § 71 iVm § 445 StPO?

Die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen durch Privatankläger ist nach § 71 Abs 1 zweiter Satz StPO auf bekannte Angeklagte oder Betroffene beschränkt; eine teleologische Reduktion des § 71 StPO in Richtung der Ermöglichung eines selbständigen Antrags des Privatanklägers auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO auch bei vorerst unbekannten Betroffenen scheidet mangels erkennbar planwidrig überschießenden Regelungsgehalts aus


Schlagworte: Privatankläger, Antrag auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen, Abschöpfung der Bereicherung, Verfall, Einziehung
Gesetze:

§ 71 StPO, § 445 StPO

GZ 11 Os 99/10h, 19.10.2010

OGH: Nach den EBRV zum Strafprozessreformgesetz sollte die Privatanklage abweichend vom Begutachtungsentwurf, der auf diese gänzlich verzichtete, in die Systematik der Reform integriert werden. Da ein "Weisungsrecht des Privatanklägers" an die Kriminalpolizei von vornherein nicht in Betracht komme, sei das Verfahren als Hauptverfahren zu führen und finde ein Ermittlungsverfahren nicht statt. Folglich beginne das Privatanklageverfahren mit der Anklage, könne eine solche noch nicht eingebracht werden, sollten aber dennoch zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen Zwangsmaßnahmen ergriffen werden - zu denken sei hier va an Sicherstellung von Produkten, die unter Verletzung von Immaterialgüterrechten hergestellt und in Verkehr gebracht werden oder auch an Auskunft über Bankkonten und über Bankgeschäfte - wäre ein selbständiger Antrag auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO bei Gericht zu stellen, der gleichfalls zur Eröffnung des Hauptverfahrens führen würde.

Die verpflichtende Begründung des Verfolgungsantrags (der Privatanklage oder des selbständigen Antrags auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO) soll die amtswegige Überprüfung der Anklage oder des selbständigen Antrags erleichtern und damit "den Schutz für Beschuldigte vor ungerechtfertigten Privatanklagen" verbessern.

Daraus erhellt, dass ein ursprüngliches Konzept einer StPO ohne Privatanklageverfahren aufgegeben wurde und es in der Folge zur Einfügung spezifischer Bestimmungen in ein an sich anders gedachtes System kam. Nur so ist erklärlich, dass man zwar die Notwendigkeit der Ergreifung von Zwangsmaßnahmen auch für Privatankläger erkannte, diese aber - entgegen praktischen Erfordernissen va bei Verletzung von Immaterialgüterrechten - aufgrund unmissverständlicher gesetzlicher Vorgabe auf bekannte Angeklagte oder Betroffene beschränkt blieben. Eine teleologische Reduktion in § 71 StPO - etwa in Richtung der Ermöglichung eines Antrags nach § 445 StPO auch bei vorerst unbekannten Betroffenen - scheidet indes mangels eines erkennbar planwidrig überschießenden Regelungsinhalts (va des § 71 Abs 3 StPO) aus.

Die Regeln der §§ 443 f StPO für die dort genannten vermögensrechtlichen Anordnungen als Annex zu einem Strafverfahren können nicht auf den selbständigen Antrag nach § 445 StPO umgelegt werden, auch wenn dem Privatankläger die Möglichkeit des Ermittlungsverfahrens (und somit das Ergreifen von Zwangsmaßnahmen auch gegen Unbekannte) ausdrücklich verwehrt wird (§ 71 Abs 1 letzter Halbsatz StPO) und für Privatanklage und Antrag nach § 445 StPO § 211 StPO gilt (§ 71 Abs 3 StPO).

Vorliegend erfüllte der Antrag der Privatankläger auf Abschöpfung der Bereicherung von unbekannten Tätern und Dritten die für einen Verfolgungsantrag iSd § 71 Abs 1 zweiter Satz StPO gesetzlich geforderten Kriterien nicht, weil die für eine Bereicherungsabschöpfung essentielle Bezeichnung einer bestimmten Person, gegen die sich die Zahlungsverpflichtung richten soll, fehlte - die Angabe "angeblich V***** LLG, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate" (ON 1) ist nicht ausreichend determiniert. Für den in Rede stehenden Antrag der Privatankläger ist ein Verbesserungsverfahren in der StPO nicht vorgesehen.