06.01.2011 Strafrecht

OGH: Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens - zur Antragslegitimation

Ankläger (zu denen neben Privatanklägern, Subsidiaranklägern und Privatbeteiligten etwa auch Antragsteller nach §§ 6 bis 7c und 9 f MedienG zählen) sowie Opfer (§ 65 StPO) sind nicht antragslegitimiert


Schlagworte: Erneuerung des Strafverfahrens, Antragslegitimation, Ankläger, Opfer
Gesetze:

§ 363a StPO, § 363b Abs 2 Z 1 StPO

GZ 13 Os 130/10g, 16.12.2010

OGH:: Da sich die Behandlung von Erneuerungsanträgen auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Grundrechts beschränkt, Grundrechte aber in der Regel auf Verfassungsstufe stehen, führt der Erfolg einer gleichzeitig erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, welche sich - zumindest auch - gegen die vom Erneuerungswerber behauptete Grundrechtsverletzung richtet, regelmäßig zur Beseitigung der Opfereigenschaft des Erneuerungswerbers (vgl Art 34 EMRK).

Dass der OGH mit einer Prüfung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beginnt, folgt aus der damit verbundenen Möglichkeit zu sog Feinprüfung unterhalb der Verfassungsstufe. Soweit der Erneuerungswerber durch die nach § 292 StPO getroffene Entscheidung unter dem Aspekt des von ihm geltend gemachten Grundrechtsschutzes vollends beschwerdefrei gestellt werden kann, erübrigt sich mithin eine Erledigung auch des Erneuerungsantrags. Der Erneuerungswerber kann daher auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen werden.

Anders, wenn sich die Generalprokuratur, wie hier, darauf beschränkt, einen von dem mit Erneuerungsantrag reklamierten Grundrecht unabhängigen Verfahrensmangel geltend zu machen und für den Fall der kassatorischen Entscheidung (§ 292 letzter Satz StPO) dem Gericht, an welches der OGH die Sache verweist, (unverbindliche) Vorschläge für die weitere Vorgangsweise macht. Bietet demgegenüber der Erneuerungsantrag dem OGH die Möglichkeit, nicht bloß über einen Verfahrensfehler, sondern - verfahrensbeschleunigend - sogleich in der Sache zu entscheiden, ist dessen inhaltliche Erledigung angebracht (§ 9 Abs 1 StPO).

Nach mittlerweile stRsp bedarf es zur Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO keines Urteils des EGMR. Zu einem darauf gerichteten Antrag sind Personen berechtigt, welche vertretbar behaupten, durch die letztinstanzliche Entscheidung eines Strafgerichts in einem Grundrecht verletzt oder trotz Ausschöpfung des Instanzenzugs gegen eine durch Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht begangene Grundrechtsverletzung weiterhin deren Opfer zu sein.

Die von § 363b Abs 2 Z 1 StPO genannte, in der Unterschrift eines Verteidigers bestehende Zulässigkeitsvoraussetzung hat den OGH - mit Blick auf das bloß zwischen Anklägern und Beschuldigten (§ 38 Abs 3 StPO idF vor BGBl I 2004/19) differenzierende Verständnis des (von der Anpassungsgesetzgebung an das StPRefG unberührt gebliebenen) Erneuerungsverfahrens - dazu veranlasst, Grundrechtsschutz nach § 363a StPO unter dem Aspekt als verletzt reklamierter Anklägerinteressen zu verneinen. Ankläger (zu denen neben Privatanklägern, Subsidiaranklägern und Privatbeteiligten etwa auch Antragsteller nach §§ 6 bis 7c und 9 f MedienG zählen) sind nicht antragslegitimiert, weil diese sich selbst nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers keines Verteidigers bedienen konnten (§ 39 StPO idF vor BGBl I 2004/19). Personen, die als Ankläger von einer Grundrechtsverletzung betroffen sind, sollte unter dem Aspekt innerstaatlicher Umsetzung von Urteilen des EGMR (Art 46 EMRK) kein Recht auf Neudurchführung von strafgerichtlichen Verfahren eingeräumt werden. Angesichts der vom historischen Gesetzgeber intendierten, weiterhin systemkonformen Schutzrichtung gilt nichts anderes für Opfer (§ 65 StPO) in dieser Eigenschaft. Deren Interesse wird durch die Zulässigkeit von Fortführungsanträgen (§ 195 StPO) ausreichend geschützt.

Für andere von strafgerichtlicher Grundrechtsverletzung Betroffene gelten diese Überlegungen jedoch nicht. Sie gelten auch nicht in Betreff des hier reklamierten Grundrechtsschutzes Dritter, für welche das Erfordernis der Verteidigerunterschrift demnach mit der Maßgabe gilt, dass von ihnen gestellte Anträge der Unterschrift einer iSd § 48 Abs 1 Z 4 StPO zur Verteidigung befähigten Person bedürfen. Da eine solche hier vorliegt, ist der Erneuerungsantrag zulässig.