03.03.2011 Strafrecht

OGH: Zur Mängelrüge nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO - Undeutlichkeit, Unvollständigkeit, Widerspruch, offenbar unzureichende Begründung und Aktenwidrigkeit

Ausführungen zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO


Schlagworte: Mängelrüge, Undeutlichkeit, Unvollständigkeit, Widerspruch, offenbar unzureichende Begründung, Aktenwidrigkeit
Gesetze:

§ 281 Abs 1 Z 5 StPO

GZ 14 Os 143/09z, 23.12.2010

Die Mängelrüge reklamiert Undeutlichkeit, Unvollständigkeit, Widerspruch, offenbar unzureichende Begründung und Aktenwidrigkeit.

OGH: Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn - nach der Beurteilung durch den OGH, also aus objektiver Sicht sowie unter Beachtung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und des Erkenntnisses (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den zur Anfechtung berechtigten Bf als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde (Feststellungsebene) oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§§ 13 Abs 3 zweiter Satz, 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Aus der Z 5 wird daher nicht in die Bewertung der vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensergebnisse, mit anderen Worten die Würdigung des herangezogenen Beweismaterials (des Bezugspunkts der Beweiswürdigung) eingegriffen, sondern in die Auswahl des für diese Bewertung heranzuziehenden Beweismaterials. Dem Rechtsmittelgericht obliegt also nur die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte erwogen wurde, nicht aber des Inhalts dieser Erwägungen. Dieser ist im bezirksgerichtlichen Verfahren und im Verfahren vor dem Einzelrichter des LG im Rahmen einer nur dort zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpfbar.

Von einem Widerspruch (Z 5 dritter Fall) ist die Rede, wenn die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (im sog Untersatz des Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung [Feststellungsebene]), die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen (Begründungsebene) oder die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen nach logischen Gesichtspunkten jeweils nebeneinander nicht bestehen können.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, welche den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht, wobei sich eine Rüge nicht auf einzelne beweiswürdigende Erwägungen (in Hinsicht auf die bekämpften Feststellungen) beschränken darf, sondern alle einbeziehen muss. Im Hinblick auf die Feststellung entscheidender Tatsachen unerhebliche (bedeutungslose) Erwägungen sind unter dem Gesichtspunkt offenbar unzureichender Begründung ohne Relevanz, weil sie deren Konstatierung gerade nicht begründen.

Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder einer Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt. Z 5 letzter Fall zielt dabei nur auf einen Vergleich unter semantischen, nicht auch pragmatischen Gesichtspunkten - also dessen, was gleichsam zwischen den Zeilen steht - ab. Verleiht die Rüge dem Protokolls- oder Urkundeninhalt durch Hinzufügen von Worten (wie zB "nur" oder "stets") eine andere Bedeutung, kehrt sich die Kritik der Aktenwidrigkeit gegen sie. Enthält das Urteil keine Angaben über eine bestimmte Aussage oder Urkunde, scheidet Aktenwidrigkeit von vornherein aus. Der Vorwurf an die Tatrichter, aus der Urkunde oder Aussage statt der auf vertretbare Weise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, stellt bloß unzulässige Kritik an deren Beweiswürdigung dar, wie überhaupt die Behauptung eines "Widerspruchs" zwischen den getroffenen Feststellungen und den diesen zugrunde gelegten Urkunden oder Aussagen nicht den Vorwurf von Aktenwidrigkeit beinhaltet.