10.03.2011 Strafrecht

OGH: Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen - zur Alterstoleranzklausel nach § 206 Abs 4 StGB

Der (außerhalb von Unrecht und Schuld stehende) persönliche Strafausschließungsgrund des § 206 Abs 4 StGB stellt auf das - rein anhand der objektiven Sachlage zu beurteilende - Mindestalter des Opfers von 13 Jahren und einen - wiederum nach objektiver Tatsachengrundlage zu berechnenden - Altersunterschied zwischen Täter und Opfer von nicht mehr als drei Jahren ab; auf die diesbezüglichen Vorstellungen des Täters kommt es nicht an


Schlagworte: Schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen, persönlicher Strafausschließungsgrund, Alterstoleranzklausel, Rechtsirrtum
Gesetze:

§ 206 Abs 4 StGB, § 9 StGB

GZ 12 Os 110/10h, 16.09.2010

Der im Tatzeitpunkt 15 Jahre und sechs Monate alte Nichtigkeitswerber unternahm mit der damals 12-jährigen Z, die er für 13 Jahre alt hielt, einen Geschlechtsverkehr, wobei ihm klar war, dass er mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternahm, jedoch trotzdem handelte.

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 litb StPO), die insofern auch einen Feststellungsmangel behauptet, wendet ein, der Angeklagte sei zumindest subjektiv vom Vorliegen des Strafausschließungsgrundes nach § 206 Abs 4 StGB ausgegangen, weshalb er nicht strafbar bzw nicht strafwürdig sei.

OGH: Der Strafausschließungsgrund nach § 206 Abs 4 StGB ("Alterstoleranzklausel") kombiniert jeweils ein Mindestalter (des Opfers) mit dem begrenzten Altersunterschied (von drei Jahren) zum Täter und ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn die unmündige Person das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Da Z im Tatzeitpunkt erst 12 Jahre und zwei Monate alt war, kommt die Anwendung dieses Strafbefreiungsspruchs von vornherein nicht in Betracht.

Entgegen der hier artikulierten Beschwerdeauffassung ist die irrtümliche Annahme eines Strafausschließungsgrundes weder für die Schuld noch für die Bestrafung des Nichtigkeitswerbers beachtlich. Denn der vorgebrachte Irrtum des Angeklagten bezog sich nicht auf die (nach den Urteilskonstatierungen von seinem Vorsatz umfasste) Unmündigkeit des Opfers oder die bestehende Rechtslage nach § 206 StGB, sondern lediglich darauf, dass er davon ausging, Z sei bereits 13 Jahre alt und somit nur ca 2 Jahre jünger als er selbst. Der in der Beschwerde angesprochene (außerhalb von Unrecht und Schuld stehende) persönliche Strafausschließungsgrund des § 206 Abs 4 StGB stellt auf das - rein anhand der objektiven Sachlage zu beurteilende - Mindestalter des Opfers von 13 Jahren und einen - wiederum nach objektiver Tatsachengrundlage zu berechnenden - Altersunterschied zwischen Täter und Opfer von nicht mehr als drei Jahren ab. Auf die diesbezüglichen Vorstellungen des Täters kommt es nicht an.

Ob demnach der Rechtsmittelwerber "wusste, dass ein Täter, der den Beischlaf mit einer unmündigen Person vollzieht, straffrei bleibt, wenn er nicht mehr als drei Jahre älter ist" und "diese Voraussetzungen als vorliegend annahm", betrifft daher Umstände, welche - der Beschwerde zuwider - als im Gesetz nicht vorgesehene Tatkomponenten außer Betracht zu bleiben hatten.