10.03.2011 Strafrecht

OGH: Art 7 Abs 1 zweiter Satz EMRK - Verbot der Verhängung einer höheren als im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohten Strafe

Art 7 Abs 1 zweiter Satz EMRK ist in sachlicher Hinsicht auf die Verhängung von Strafen beschränkt; einer nachträglichen Verschärfung des Vollzugs von Strafen steht die Konventionsgarantie daher nicht entgegen


Schlagworte: Verbot der Verhängung einer höheren als im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohten Strafe, nachträgliche Verschärfung des Vollzugs von Strafen
Gesetze:

Art 7 Abs 1 zweiter Satz EMRK

GZ 15 Os 28/10x, 15.12.2010

Der Erneuerungswerber sieht das Grundrecht nach Art 7 Abs 1 zweiter Satz EMRK (Verbot der Verhängung einer höheren als im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohten Strafe) durch das Unterbleiben eines Ausspruchs der Haftung des Medieninhabers gemeinsam mit dem Verurteilten für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten (wie noch im am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen § 35 MedienG vorgesehen) verletzt. Denn dem Verurteilten sei dadurch zum einen die Rechtswohltat der - ein gesetzliches Regressrecht nach § 896 ABGB nach sich ziehenden - Mithaftung des Medieninhabers (§ 35 Abs 1 MedienG) genommen worden; zum anderen sei nach § 35 Abs 3 MedienG die Ersatzfreiheitsstrafe gegen den Verurteilten nur im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auch beim Medieninhaber zu vollziehen.

OGH: Art 7 Abs 1 zweiter Satz EMRK ist in sachlicher Hinsicht auf die Verhängung von Strafen beschränkt; einer nachträglichen Verschärfung des Vollzugs von Strafen steht die Konventionsgarantie daher nicht entgegen.

Damit wird durch die Nichtanwendung des § 35 MedienG der Anwendungsbereich des hier in Rede stehenden Konventionsrechts nicht nur in Betreff der den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe regelnden Bestimmung des § 35 Abs 3 MedienG, sondern auch der Haftungsregelung nach § 35 Abs 1 MedienG schon von vornherein nicht berührt. Denn die in der Bestimmung des § 35 MedienG normierte Haftung begründete eine bloß formell, nicht aber materiell eigene Schuld des Medieninhabers. Der Zweck dieser Haftungsverpflichtung war solcherart nicht in einer Entlastung des Täters (eines Medieninhaltsdelikts), sondern in der Minimierung des Einbringlichkeitsrisikos des Geschädigten gelegen. Dem eine solche Schuld begleichenden Medieninhaber stand daher grundsätzlich voller Rückersatz nach § 1358 ABGB zu, was eine Minderung nach § 896 (sowie §§ 1302 und 1304) ABGB ausschließt. Der Entfall der (somit reinen Haftungs-)Bestimmung des § 35 MedienG bedeutet daher bloß den Wegfall von vorläufigen Vollzugsbegünstigungen für den Verurteilten, nicht aber eine Verschärfung der (dadurch gänzlich unberührt bleibenden) Strafe.

Dass bloß der Vollzug der Strafe betroffen ist, legt der Erneuerungswerber in seiner Äußerung gem § 24 StPO selbst dar, indem er vorbringt, der Verurteilte würde sich den Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe (nicht also deren Verhängung) ersparen (richtig: nur dann, wenn die Geldstrafe beim Medieninhaber eingebracht werden kann).