21.04.2011 Strafrecht

OGH: Strafbarkeit des Versuchs einer schweren Körperverletzung?

Der Versuch einer schweren Körperverletzung iSd §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB ist rechtlich nicht denkbar; hat der Täter den Eintritt des schweren Erfolgs gewollt, ohne dass dieses Ergebnis eintritt, so kommt bei schwerer Verletzungsabsicht versuchte absichtliche schwere Körperverletzung (§§ 15, 87 StGB) in Betracht


Schlagworte: Schwere Körperverletzung, Versuch, Vorsatz, Absicht
Gesetze:

§ 15 StGB, § 83 Abs 1 StGB, § 84 Abs 1 StGB, § 87 StGB, § 5 StGB

GZ 15 Os 178/10f, 19.01.2011

OGH: Die Bestimmungen des StGB wegen Körperverletzung gehen vom Grunddelikt der vorsätzlichen Verletzung oder Gesundheitsschädigung nach § 83 Abs 1 StGB aus. Weiters ist nach § 83 Abs 2 StGB auch schon die bloße körperliche Misshandlung strafbar, aber nur insoweit, als dadurch fahrlässig eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verursacht wird. Die Misshandlung an sich, ohne Eintritt dieser Folgen - erst recht die bloß versuchte Misshandlung -, ist sohin nach dieser Gesetzesstelle nicht strafbar. Diese Konstruktion, nämlich die Strafbarkeit bzw die erhöhte Strafbarkeit an den Eintritt gewisser Folgen zu knüpfen, setzt sich in den Bestimmungen des § 84 Abs 1 StGB (schwere Körperverletzung), des § 85 StGB (Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen) und des § 86 StGB (Körperverletzung mit tödlichem Ausgang) fort. Diese Delikte setzen nach ihrem eindeutigen Wortlaut den Erfolgseintritt voraus. Solcherart wird vom OGH die Frage, ob ein Täter wegen Versuchs einer schweren Körperverletzung strafbar sein kann, wenn der von seinem bedingten Vorsatz umfasste schwere Verletzungserfolg nicht eintritt, in stRsp verneint und klargestellt, dass der Versuch einer schweren Körperverletzung iSd §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB rechtlich nicht denkbar ist.

Hat der Täter den Eintritt des schweren Erfolgs gewollt, ohne dass dieses Ergebnis eintritt, so kommt bei schwerer Verletzungsabsicht versuchte absichtliche schwere Körperverletzung (§§ 15, 87 StGB) in Betracht, in welcher die versuchte Zufügung einer schweren Körperverletzung umfassend und ausschließlich behandelt wird.

Da vorliegend zwar der Vorsatz iSd § 5 Abs 1 StGB, jedoch keine Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Angeklagten festgestellt wurde, eine schwere Körperverletzung des E herbeizuführen, bilden die ihm angelasteten Tätlichkeiten mit (bloß) leichten Verletzungsfolgen des Opfers nur den Grundtatbestand des (vollendeten) Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB.