05.05.2011 Strafrecht

OGH: § 96 Abs 5 zweiter Halbsatz StPO - Recht auf Ausfolgung von Kopien des Protokolls über die eigene Vernehmung

Soweit ein solcher Antrag eines zur Akteneinsicht berechtigten Beschuldigten, Privatbeteiligten, Privatanklägers oder Opfers im Ermittlungsverfahren in Rede steht, ist bei Beurteilung der Frage, ob dessen Stattgebung schutzwürdige Interessen des Verfahrens entgegenstehen, derselbe, jedenfalls aber kein strengerer (inhaltlicher Prüfungs-)Maßstab anzulegen als bei der Verweigerung bzw Beschränkung der Akteneinsicht nach § 51 Abs 2 StPO


Schlagworte: Protokoll, Recht auf Ausfolgung von Kopien des Protokolls über die eigene Vernehmung, schutzwürdige Interessen, Akteneinsicht
Gesetze:

§ 96 Abs 5 StPO, § 51 Abs 2 StPO, § 52 StPO

GZ 14 Os 188/10v, 01.03.2011

OGH: Das Recht des Beschuldigten, in die Akten Einsicht zu nehmen, regelt § 51 StPO. Nach Abs 2 dieser Bestimmung darf Akteneinsicht - mit Ausnahme des hier nicht aktuellen Falls des Bestehens der in § 162 StPO angeführten Gefahr - nur vor Beendigung des Ermittlungsverfahrens und nur soweit beschränkt werden, als besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre.

Während sich für nach Maßgabe des Vorgesagten zur Akteneinsicht berechtigte Beschuldigte (sowie - weil § 68 Abs 1 und 2 StPO auf §§ 51 und 52 StPO verweist - Privatbeteiligte, Privatankläger und Opfer) aus § 52 Abs 1 StPO ein - von den hier nicht in Rede stehenden Beschränkungen im zweiten Halbsatz abgesehen - unbedingter Anspruch auf Ausfolgung von Kopien ergibt, sieht § 96 Abs 5 zweiter Halbsatz StPO in Bezug auf Protokolle über die Aufnahme von Beweisen iSd Abs 1 dieser Norm vor, dass eine Kopie hievon jeder zur Akteneinsicht berechtigten vernommenen Person auf deren Verlangen sogleich auszufolgen ist, sofern dem schutzwürdige Interessen des Verfahrens oder Dritter nicht entgegenstehen.

Das Recht auf Ausfolgung von Kopien des Protokolls über die eigene Vernehmung weitergehenderen Beschränkungen zu unterwerfen, als in Bezug auf sonstige Aktenteile, von denen der zur Akteneinsicht Berechtigte noch gar keine Kenntnis hatte, ist dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen.

Soweit ein solcher Antrag eines zur Akteneinsicht berechtigten Beschuldigten, Privatbeteiligten, Privatanklägers oder Opfers im Ermittlungsverfahren in Rede steht, ist bei Beurteilung der Frage, ob dessen Stattgebung schutzwürdige Interessen des Verfahrens entgegenstehen, daher derselbe, jedenfalls aber kein strengerer (inhaltlicher Prüfungs-)Maßstab anzulegen als bei der Verweigerung bzw Beschränkung der Akteneinsicht nach § 51 Abs 2 StPO. Wird daher dem Beschuldigten - wie im vorliegenden Fall - Akteneinsicht in das Protokoll über seine Vernehmung zugebilligt, so darf ihm die Ausfolgung einer Abschrift oder Kopie derselben nicht verweigert werden. Eine solche Maßnahme wäre eben nur dann zulässig, wenn in Ansehung dieses Protokolls die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Akteneinsicht gem § 51 Abs 2 StPO vorlägen, was das Beschwerdegericht verneinte. Folglich hätte es eine durch Verweigerung der Ausfolgung einer Kopie des Protokolls verwirklichte Rechtsverletzung feststellen müssen, womit der angefochtene Beschluss das Gesetz in § 96 Abs 5 zweiter Satz StPO verletzt.