29.10.2005 Verfahrensrecht

OGH: Treffen bei einer einheitlichen Streitpartei Säumnis und Rechtsverzicht (Rechtsanerkennung) zusammen, dann überwiegt die Säumnis eines Streitgenossen den Verzicht (Anerkenntnis) des anderen Streitgenossen


Schlagworte: Mietrecht, Streitpartei, Räumung, Mietzins, Anerkenntnis
Gesetze:

§ 1118 zweiter Fall ABGB, § 14 ZPO

In seinem Beschluss vom 03.08.2005 zur GZ 9 Ob 36/05t hatte sich der OGH mit einer Mietzins- und Räumungsklage auseinander zusetzen:

Die Beklagten sind Mieter und die Klägerin Vermieterin eines Geschäftslokals. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage offenen Mietzins und die Räumung, jeweils zur ungeteilten Hand. Zur folgenden Tagsatzung (22.9.) erschien nur der Zweitbeklagte, der um Zulassung als Vertreter für die Erstbeklagte ansuchte, die auch bewilligt wurde; die Klägerin dehnte ihr Mietzinsbegehren aus. Aufgrund eines Anerkenntnisses des Zweitbeklagten wurde ein Anerkenntnisurteil gefällt. Ein nachträglicher Nachweis für die Vollmacht der Erstbeklagten wurde nicht erbracht. Am 29.10. erhoben beide Beklagten Berufung. Der OGH führte dazu aus: Mehrere Mitmieter bilden hinsichtlich des Räumungsbegehrens eine einheitliche Streitpartei; hinsichtlich des Mietzinsbegehrens liege jedoch lediglich eine Solidarverpflichtung vor. Die Wirksamkeit des Anerkenntnisurteiles (mit Verkündung) gegenüber dem Zweitbeklagten sei von einer Wirksamkeit gegenüber der Erstbeklagten unabhängig. Da der Zweitbeklagte sein Rechtsmittel nicht binnen 4 Wochen ab Verkündung eingebracht habe, sei seine Zahlungsverpflichtung in Rechtskraft erwachsen. Hinsichtlich des Räumungsbegehrens entfalte das Anerkenntnis aber auch keine Wirkung (hins. beider Beklagten), weil die Säumnis eines einheitlichen Streitgenossen (mangels nachträglichen Nachweises der Vollmacht) das Anerkenntnis des erschienenen einheitlichen Streitgenossen überwiege. Dem Zweitbeklagten, der auch diesbez. sein Rechtsmittel verspätet eingebracht habe, komme zugute, dass der Erstbeklagte rechtzeitig ein Rechtsmittel erhoben habe; er sei allerdings an den Umfang der rechtzeitigen Anfechtung gebunden.