15.04.2006 Verfahrensrecht

OGH: Die Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit unterliegt auch schon bei der a-limine-Prüfung einer materiellen Prüfpflicht des Gerichtes


Schlagworte: Zivilverfahrensrecht, internationale Zuständigkeit, materielle Prüfpflicht, Präklusion
Gesetze:

§ 99 JN, § 104 JN, § 477 ZPO, § 41 ZPO, § 261 Abs 5 ZPO

In seinem Beschluss vom 16.02.2006 zur GZ 6 Ob 190/05t hatte sich der OGH mit der Frage nach dem gebotenen Prüfungsmaßstab im Falle einer prorogablen internationalen Zuständigkeit auseinanderzusetzen:

Die klagende Partei, eine russische Aktiengesellschaft, brachte ihre Schadenersatzklage gegen eine ebenfalls in Russland ansässige Aktiengesellschaft beim Handelsgericht in Wien ein und begründete die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte mit § 99 JN. Die klagende Partei führte dabei an, dass ihr aufgrund der in Russland herrschenden Korruption und Beeinflussung der dortigen Gerichte eine Rechtsverfolgung nicht zumutbar sei. Die beklagte Partei wandte den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit ein. Diesem Einwand folgten die Vorinstanzen, die von einer umfassenden materiellen Prüfpflicht des Gerichtes hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit ausgingen.

Der OGH führte dazu aus: Sobald der gerichtliche Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung erteilt wurde, scheidet die Anwendung des § 41 ZPO aus. Die Prozessvoraussetzung der internationalen Zuständigkeit begründet jedenfalls eine materielle Prüfpflicht des Gerichtes, andernfalls wäre der Beklagte verpflichtet, sich in das Verfahren einzulassen, um eine Präklusion der Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit geltend machen zu können und der Kläger könnte allein durch seine Behauptungen die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte begründen.