11.06.2006 Verfahrensrecht

EuGH: Keine Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Klägers bei Immissionsabwehrklagen


Schlagworte: Internationales Verfahrensrecht, Zuständigkeit, Abwehr unzulässiger Immissionen, Unterlassung, Belegenheitsort
Gesetze:

Art 16 Nr 1 lit a des Brüsseler Übereinkommen, § 364 Abs 2 ABGB

Mit Urteil vom 18.05.2006 zur GZ C-343/04 hat sich der EuGH mit den Gerichtszuständigkeiten befasst:

Das Land Oberösterreich begehrte, ČEZ habe die vom Atomkraftwerk Temelin ausgehenden Einwirkungen durch ionisierende Strahlungen auf die Grundstücke des Landes Oberösterreich insoweit zu unterlassen, als das Maß der Einwirkungen, die von einem nach dem anerkannten Stand der Technik betriebenen Atomkraftwerk ausgehen würde, überschritten werde. ČEZ hielt die österreichischen Gerichte für unzuständig und machte ua geltend, dass Art 16 Nr 1 lit a auf Immissionsabwehrklagen nicht anwendbar sei.

Dazu der EuGH: Was den mit Art 16 Nr 1 lit a verfolgten Zweck angeht, so liegt nach stRsp der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, darin, dass ein Gericht des Belegenheitsorts am besten in der Lage ist, über Streitigkeiten betreffend dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zu entscheiden. Denn insbesondere Streitigkeiten über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sind im Allgemeinen nach den Rechtsvorschriften des Staates zu entscheiden, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, und erfordern häufig Nachprüfungen, Untersuchungen und die Einholung von Sachverständigengutachten, die notwendigerweise vor Ort erfolgen müssen, so dass es im Interesse einer geordneten Rechtspflege liegt, einem Gericht des Belegenheitsorts, das wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage ist, sich gut über die Sachverhalte zu informieren, die ausschließliche Zuständigkeit einzuräumen. Angesichts dieser Auslegungsgrundsätze ist Art 16 Nr 1 lit a dahin auszulegen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats nicht alle Klagen umfasst, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallen und darauf gerichtet sind, Umfang oder Bestand einer unbeweglichen Sache, das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte hieran zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern. Eine Immissionsabwehrklage beruht zwar auf der Verletzung eines dinglichen Rechts an einer unbeweglichen Sache, aber die dingliche Natur dieses Rechts und die Tatsache, dass es sich um eine unbewegliche Sache handelt, haben in diesem Zusammenhang nur inzident Bedeutung. Eine derartige Klage fällt daher nicht in diese Kategorie der Klagen.