01.07.2006 Verfahrensrecht

OGH: Für die Annahme des Vorliegens von Befangenheit genügt, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein entstehen könnte, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten


Schlagworte: Verfahrensrecht, Befangenheit, Selbstanzeige
Gesetze:

§ 19 JN

In seinem Erkenntnis vom 11.05.2006 zur GZ 8 Nc 7/06f hat sich der OGH mit derBefangenheitsanzeige durch einen Richter selbst, befasst:

Eines der Mitglieder des 2. Senates, der nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofes zuständig ist, teilte mit, dass der Kläger im Gymnasium sein Klassenkamerad gewesen sei, nach wie vor ein freundschaftlicher Kontakt bestehe und er aus privater Quelle auch über Details des prozessgegenständlichen Verkehrsunfalls, seit dem der Kläger an den Rollstuhl gefesselt sei,informiert worden sei. Er habe ihn auch während der Rehabilitation besucht und sich an einer Spendenaktion für seine Familie beteiligt. Aus diesen Gründen sehe er sich nicht in der Lage, an derEntscheidung in dem ihm als Referent des zweiten Senats zugeteilten Akt mitzuwirken.

Der OGH führte dazu aus: Für die Annahme des Vorliegens von Befangenheit genügt, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein entstehen könnte, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten. Die dargestellte Fallkonstellation ist geeignet, dass die Unbefangenheit des Hofrats des Obersten Gerichtshofes in Zweifel gezogen werden könnte. Da im Übrigen Befangenheit in der Regel dann zu bejahen ist, wenn der Richter diese selbst anzeigt, ist der Befangenheitsanzeige stattzugeben.