18.07.2006 Verfahrensrecht

OGH: Eine Änderung der rechtlichen Argumentation ist nur zulässig, wenn im Verfahren erster Instanz entsprechendes Tatsachensubstrat vorhanden ist


Schlagworte: Zivilverfahrensrecht, Neuerungsverbot
Gesetze:

§ 1a Abs 2 VersVG, § 482 ZPO

In seinem Erkenntnis vom 29.03.2006 zur GZ 7 Ob 62/06b hatte sich der OGH mit der Leistungsverweigerung des Versicherers bei Fehlen eines negativen Deckungshinweises und Verletzung einer Anzeigenobliegenheit im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 1a Abs 2 VersVG auseinanderzusetzen:

Das beklagte Versicherungsunternehmen verweigerte den Ersatz des Schadens, der der Klägerin durch einen Einbruchsdiebstahl entstanden ist. Nach Einlangen der Anträge der Klägerin auf Abschluss eines Versicherungsvertrages wurde diese mehrfach seitens der Beklagten aufgefordert, eine Schadensaufstellung des Vorversicherers nachzureichen. Tatsächlich war es bereits in der Vergangenheit zu mehrfachen Diebstählen bzw. Einbruchsdiebstählen gekommen. Dieser Umstand wurde durch den Geschäftsführer der Beklagten dem Versicherungsmakler auch mitgeteilt, der die Vorschäden jedoch zunächst im Formular des Versicherers nicht anführte. Erst nach Eintritt des neuerlichen Schadens wurde die geforderte Aufstellung nachgereicht, woraufhin die Beklagte jeglichen Versicherungsschutz ablehnte.

Der OGH führte dazu aus: Grundsätzlich steht der Partei die Möglichkeit zu, eine Änderung der rechtlichen Begründung ihres Anspruches im Rechtsmittelverfahren vorzubringen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden. Andernfalls liegt eine unzulässige Neuerung vor. Der Vorwurf der Klägerin, die Beklagte habe ihre Hinweispflicht verletzt, indem nicht angezeigt wurde, dass kein vorläufiger Versicherungsschutz bestehe, erfolgte erst im Zuge der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung. Darin liegt ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot.