04.08.2006 Verfahrensrecht

EuGH: Widersprechende Entscheidungen - als Kriterium für den für die Anwendung von Art 6 Nr 1 des Brüsseler Übereinkommens erforderlichen Zusammenhang - sind nicht schon dann als solche zu betrachten, weil es zu einer abweichenden Entscheidung des Rechtsstreits kommt; diese Abweichung muss vielmehr bei derselben Sach- und Rechtslage auftreten


Schlagworte: Zivilverfahrensrecht, Zuständigkeit, mehrere Beklagte, widersprechende Entscheidungen
Gesetze:

Art 6 Nr 1 des Brüsseler Übereinkommen

Mit Urteil vom 13.07.2006 zur GZ C-539/03 hat sich der EuGH mit der besonderen Zuständigkeit befasst:

Herr Primus und Herr Goldenberg, beide wohnhaft in den USA, sind Inhaber des europäischen Patents Nr. 131 627.Sie erhoben bei der Rechtbank Den Haag Klage gegen die Roche Nederland BV, eine Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, sowie acht weitere Gesellschaften des Roche-Konzerns, die in den USA, Belgien, Deutschland Frankreich, dem Vereinigten Königreich, der Schweiz, Österreich und Schweden ansässig sind. Die Kläger warfen all diesen Gesellschaften die gleiche Verletzung der ihnen durch ihr Patent gewährten Rechte vor, und zwar die Vermarktung von Immundosierungskits in den Ländern, in denen die beklagten Gesellschaften ansässig sind. Die nicht in den Niederlanden ansässigen Gesellschaften des Roche-Konzerns rügten die Unzuständigkeit des niederländischen Gerichts.

Dazu der EuGH: Nach Art 6 Nr 1 kann, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, in dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat. Zur Anwendung von Art 6 Nr 1muss zwischen den verschiedenen Klagen eines Klägers gegen verschiedene Beklagte ein Zusammenhang bestehen, der eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheinen lässt, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten, ohne dass es jedoch erforderlich wäre, dass die Gefahr sich gegenseitig ausschließender Rechtsfolgen besteht. Entscheidungen können nicht schon deswegen als einander widersprechend betrachtet werden, weil es zu einer abweichenden Entscheidung des Rechtsstreits kommt, sondern diese Abweichung muss außerdem bei derselben Sach- und Rechtslage auftreten. Daher ist selbst bei Zugrundelegung der weitesten Auslegung des Begriffes der "widersprechenden" Entscheidungen als Kriterium für den für die Anwendung von Art 6 Nr 1 erforderlichen Zusammenhang festzustellen, dass ein solcher Zusammenhang bei Klagen wegen Verletzung desselben europäischen Patents nicht gegeben sein kann, die jeweils gegen eine in einem anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft aufgrund von Handlungen, die diese dort begangen haben soll, erhoben werden.