28.09.2006 Verfahrensrecht

OGH: Die Durchführung einer Tagsatzung trotz eigener Säumnis des Gerichts bei der Erledigung eines Verfahrenshilfeantrages begründet keine Nichtigkeit des Versäumungsurteils, sondern einen wesentlichen Verfahrensmangel nach § 496 ZPO


Schlagworte: Zivilprozessrecht, Versäumungsurteil, Verfahrenshilfe, Nichtigkeit
Gesetze:

§ 110 Abs 1 Geo, § 477 Abs 1 Z 4 ZPO

In seinem Beschluss vom 12.07.2006 zur GZ 9 Ob53/06v hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Versäumungsurteil nichtig ist, wenn es erlassen wird, ohne dass vorher über einen rund zwei Monate vor der Tagsatzung gestellten Verfahrenshilfeantrag entschieden wurde:

Noch bevor durch das Gericht über den von der Beklagten erhobenen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe entschieden wurde, erging in der der rund zwei Monate darauf folgenden Tagsatzung ein Versäumungsurteil, weil die Beklagte trotz ausdrücklichem Hinweis in der Ladung ohne Rechtsanwalt erschienen war. Dieses Versäumungsurteil wurde durch das Berufungsgericht wegen Nichtigkeit aufgehoben, weil die Beklagte aufgrund der gesetzwidrigen Untätigkeit des Gerichtes postulationsunfähig war.

Der OGH führte dazu aus: Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe hat in einem Zwischenverfahren zu erfolgen, wobei dieses nicht beliebig durchzuführen ist. Unabhängig davon, ob ein Verfahrenshilfeantrag als dringende Angelegenheit, die sogleich zu erledigen ist, zu werten ist oder darüber zumindest so rasch es die Geschäftslage gestattet zu entscheiden ist, ist ein Zeitraum von zwei Monaten jedenfalls als ausreichend für eine Beschlussfassung des Gerichtes anzusehen. Ist das Gericht aus solchen Gründen, die in seiner Sphäre liegen, dennoch nicht in der Lage, einen Beschluss über den Antrag zu fällen, ist die Tagsatzung von Amts wegen zu verlegen, um einen Nachteil für die beklagte Partei zu vermeiden.