16.01.2013 Verkehrsrecht

VwGH: Bäume und Einfriedungen neben der Straße –Aufforderung gem § 91 StVO (hier: Zurückschneiden der Hecke)

Wenngleich die Behörde nach § 91 StVO dem Grundeigentümer nicht nur die Ausästung, sondern gegebenenfalls sogar die Entfernung der darin angeführten Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, durch die die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird, aufzutragen hat, ist dennoch im Hinblick auf den mit einer solchen Maßnahme (Entfernungsauftrag) zwangsläufig verbundenen Eingriff in das Eigentum unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit davon auszugehen, dass ein derartiger Auftrag nicht zulässig ist, wenn mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ziel erreicht werden kann, die Entfernung also nicht das einzige Mittel darstellt, um einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu begegnen


Schlagworte: Straßenverkehrsrecht, Bäume und Einfriedungen neben der Straße, Aufforderung, Verhältnismäßigkeit
Gesetze:

§ 91 StVO

GZ 2012/02/0133 [1], 16.11.2012

 

VwGH: Gem § 91 Abs 1 StVO hat die Behörde die Grundeigentümer aufzufordern, Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, welche die Verkehrssicherheit, insbesondere die freie Sicht über den Straßenverlauf oder auf die Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder welche die Benützbarkeit der Straße einschließlich der auf oder über ihr befindlichen, dem Straßenverkehr dienenden Anlagen, zB Oberleitungs- und Beleuchtungsanlagen, beeinträchtigen, auszuästen oder zu entfernen.

 

Nach der Rsp stellt eine dem Grundeigentümer nach § 91 Abs 1 StVO aufgetragene Maßnahme einen vom Gesetzgeber im Interesse der Verkehrssicherheit für zulässig erklärten Eingriff in das Eigentum dar. Wenngleich die Behörde nach dieser Gesetzesstelle dem Grundeigentümer nicht nur die Ausästung, sondern gegebenenfalls sogar die Entfernung der darin angeführten Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, durch die die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird, aufzutragen hat, ist dennoch im Hinblick auf den mit einer solchen Maßnahme (Entfernungsauftrag) zwangsläufig verbundenen Eingriff in das Eigentum unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit davon auszugehen, dass ein derartiger Auftrag nicht zulässig ist, wenn mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ziel erreicht werden kann, die Entfernung also nicht das einzige Mittel darstellt, um einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu begegnen. Dies ist zB dann der Fall, wenn auch mit einem bloßen Ausästen iVm der Anbringung einer Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs das Auslangen gefunden werden kann, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

 

Die Vorschrift des § 91 Abs 1 StVO betrifft jede Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Es handelt sich dabei um eine vorbeugende Maßnahme, welche die zuständige Verwaltungsbehörde anzuordnen hat, um Unfälle zu vermeiden, ohne dass es darauf ankäme, ob sich an dieser Straßenstelle etwa wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse Unfälle ereignet haben.

 

In Anbetracht der Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass das Anbringen eines Verkehrsspiegels die Verkehrssicherheit nicht erhöhe und eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30 km/h der dort wegen des Fahrens auf halbe Sicht ohnehin gebotenen Geschwindigkeit entspreche, somit gelindere Mittel nicht zur Anwendung kämen, sowie im Hinblick auf das Fehlen einer die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Ausweichmöglichkeit auf das Straßenbankett erweist sich vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage die Anordnung der belangten Behörde, die bis an den Fahrbahnrand heranreichende Hecke um mindestens 60 cm zurückzuschneiden, als rechtmäßig.

 

Die Bf bestreitet in ihrer Beschwerde die wesentlichen Feststellungen der belangten Behörde nicht, vermeint jedoch unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass die Verordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h als gelinderes Mittel gegenüber dem Zurückschneiden der Hecke anzusehen sei.

 

Dabei verkennt die Bf die in diesem Zusammenhang unbekämpft gebliebenen Feststellungen über die Begegnungssichtweite von 35 m und den Anhalteweg von 18 m, was ohnehin zu einer gebotenen Geschwindigkeit von 30 km/h führt. Wie die belangte Behörde daher schon zutreffend festhielt, führte die Verordnung einer 30 km/h-Beschränkung zu keiner Erhöhung der Verkehrssicherheit in diesem Bereich.

 

Dass das Aufstellen eines Verkehrsspiegels im vorliegenden Fall nicht als Mittel zur Behebung der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit herangezogen werden könne, bestreitet die Bf in ihrer Beschwerde nicht mehr.

 

Soweit die Bf - auch abweichend vom festgestellten Sachverhalt - auf die Art und die Frequenz der Nutzung der in Rede stehenden Straße abstellt, ist sie darauf zu verweisen, dass nach der zitierten Judikatur jede Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit betroffen ist und es sich bei den Maßnahmen nach § 91 Abs 1 StVO um vorbeugende Maßnahmen handelt, um Unfälle zu vermeiden. Damit ist jede Art von Verkehr betroffen, gleich welcher Art und welcher Frequenz. Dass sich dort überhaupt keine Fahrzeuge und Fußgänger bewegen, hat die Bf nicht vorgebracht und widerspräche auch den festgestellten Verkehrsaufkommen.

 

Da § 91 Abs 1 StVO nicht darauf Bezug nimmt, dass eine Maßnahme zur Hintanhaltung einer Verkehrsbeeinträchtigung erst ab einer bestimmten Länge einer Straße angeordnet werden kann, kommt es nicht darauf an, welche Länge jenes Straßenstück aufweist, auf dem sich die Verkehrsbeeinträchtigung befindet, weshalb der Hinweis der Bf auf eine maximale Länge des Straßenstücks von 1,2 km zu keinem abweichenden Ergebnis führen kann.

 

Zutreffend verweist die Bf auf den Umstand, dass die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen keine für eine Maßnahme gem § 91 Abs 1 StVO verbindliche Anordnung darstellten. Allerdings bestreitet die Bf nicht, dass eine Verbreiterung der Straße um ein 60 cm breites Bankett die Verkehrssicherheit jedenfalls erhöht. Zudem übersieht die Bf, dass die belangte Behörde ohnehin in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides zugunsten der Bf zu einem Rückschnitt der Hecke auf die Hälfte des ursprünglich verordneten Ausmaßes aufgefordert hat. Ob die Anordnung eines breiteren Rückschnitts allenfalls noch rechtmäßig gewesen wäre, kann hier dahinstehen.

 

Die Bf verkennt auch, dass die aufgetragene Maßnahme keine Verbesserung der Sichtverhältnisse im Auge hat, weshalb das Argument einer dadurch ermöglichten lediglich geringen Erhöhung der dort gebotenen Geschwindigkeit keine Bedeutung zukommt.

 

Offenbar mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bringt die Bf noch vor, nach der Stellungnahme der Baumschulgärtnerei vom 6. September 2011 werde bei einem Rückschnitt die Hecke nie mehr grün und es ergebe sich keine dichte Heckenform.

 

Dabei verkennt die Bf jedoch, dass sich die Stellungnahme auf die Aufforderung der erstinstanzlichen Behörde, die Hecke zwischen 0,8 m bis 1,2 m zurückzuschneiden bezieht, während sich eine Stellungnahme zum nunmehr aufgeforderten Rückschnitt um 0,6 m nicht im Akt befindet.